Z
Übersicht | Zarah Leander - 2 >> |
Zarah Leander - 1 |
Zarah Leander
* 15. März 1907
+ 23. Juni 1981
http://www.zarah-leander.de
info@paulberlin.de
(aktueller Stand - Februar 2010)
Zarah Leander erblickte am 15. März 1907 um 22.16 Uhr in Karlstad / Schweden als Tochter des Instrumentenbauers und Grundstücksmaklers Anders Lorentz Sebastian Hedberg und der Hausfrau Matilda Ulrika Hedberg, geb. Vikström (beide 1882) das Licht dieser Welt.
Eine Urgroßmutter väterlicherseits stammte aus Hamburg. Ihr Vater hatte in Leipzig Orgelbau und Musik studiert. Durch ihr deutsches Kindermädchen und einen deutschen Klavierlehrer wurde sie schon in früher Jugend mit der deutschen Sprache und Kultur vertraut. Ab 1911 erhielt sie Klavier- und Geigenunterricht und trat 1913 bei einem Chopin-Wettbewerb zum ersten Mal öffentlich auf. Bis 1922 besuchte sie ein Gymnasium, danach verbrachte sie zwei Jahre in Riga und lernte dort fließend deutsch sprechen. In dieser Zeit besuchte sie so oft es ging Theater und Konzerte und fasste den Entschluss, zur Bühne zu gehen.
Ihre Theater- und Musikbesessenheit führte sie 1926 zum ersten Mal nach Berlin. Ihrem Vater musste sie das Reisegeld abschmeicheln, denn sie wollte unbedingt Fritzi Massary, die große Berliner Operettenkönigin, ihr Vorbild, sehen und natürlich hören. Ihr Vater ist auch der einzige in der Familie Hedberg, der Zarah Leanders musischen Ambitionen Verständnis entgegenbringt, während Mutter Matilda, von ihrer strengen protestantischen Moral und Pflichtauffassung geprägt, unwillig auf Zarahs Begeisterung für die Welt des Scheins reagiert. Auch ihre vier Brüder machten sich über Zarahs Sehnsucht nach einer Bühnenkarriere vorerst noch lustig. Sie hatte aber nie Gesangs- oder Schauspielunterricht.
1926 bewirbt sie sich mit der Rolle der Salome von Oscar Wilde um die Aufnahme an der Königlichen Schauspielschule Stockholm und fällt prompt durch, lernt aber den Schauspieler Nils Leander kennen, den sie bald darauf heiratet. Ihre beiden einzigen Kinder, Tochter Boel, geboren 1927, und Sohn Göran, geboren 1929, stammen aus dieser Ehe, die 1931 wieder geschieden wird. Kurzfristig arbeitet sie auch als Verlagssekretärin im Lindfors- Buchverlag in Stockholm. Durch ihren Ehemann Nils Leander bekommt sie ihre ersten noch unbedeutenden Rollen am Theater , und mehrmals stand sie auch mit ihm zusammen auf der Bühne. So auch 1928 in der Operette Drogne Emil, auf Deutsch: Der treue Emil. Auch das für sie so entscheidende Vorsprechen bei dem berühmten Revuekönig Ernst Rolf im Jahre 1929 geht auf seine Intervention zurück. Zarah durfte singen, bekam 100 Kronen und konnte am nächsten Tag, an einem Sonnabend, dem 27. Oktober 1929, für die erkrankte Margit Rosengren mit dem Lied Wollt Ihr einen Star sehen, schaut mich an (nach der Melodie: Wenn der weiße Flieder wieder blüht) einspringen. Der Revuekönig Ernst Rolf kündigte seinen neuen Star mit den Worten an:
"Sie ist so talentiert, dass ich nicht die Kraft hatte, nein zu sagen. Sie heißt Zarah Leander, und diesen Namen muss man sich merken."
Daraufhin wird sie von der Schallplattenfirma Odeon unter Vertrag genommen und nimmt bis zum Jahre 1936 insgesamt 80 Titel auf, alle in schwedischer Sprache, darunter 1930 auch den Marlene-Dietrich-Song aus dem Blauen Engel: 'Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.' Der damals sehr berühmte schwedische Schauspieler Gösta Ekman, der Faust-Darsteller aus dem Stummfilm von Murnau (1926), besteht darauf, sie 1931 als Partnerin in 'Die lustige Witwe' als Hanna Glawari zu bekommen. Franz Léhar muss ihretwegen den Gesangspart um zwei Oktaven tiefer transponieren. Es wird ein Sensationserfolg. Sie wirkt in drei schwedischen Filmen mit und spielt auch da, wie später bei der Ufa, den singenden, mondänen Vamp: 'Dantes Mysterien' (1930), 'Der falsche Millionär '(1931) und 'Ehespiele / Skandal' (1935).
Aber auch privat geht es recht turbulent zu. Nach der Scheidung von Nils Leander geht sie 1932 ihre zweite Ehe mit dem Journalisten Vidar Forsell ein, einem Sohn des Intendanten der Stockholmer Oper, der sich 1946 wieder von ihr trennt. Er adoptiert ihre beiden Kinder, die daher den Namen Leander nicht tragen. Abermals führt sie jetzt ihr Weg auf ihrer Hochzeitsreise nach Berlin. Dies zeigt, wie stark ihre Affinität zu Berlin, zu Deutschland, schon immer war. Das Jahr 1936 ist Zarahs wichtigstes Jahr für ihre Karriere. Der von Berlin nach Wien emigrierte Operettenbuffo Max Hansen, hier in Berlin hatte er sich mit Couplets über die angebliche Homosexualität von Hitler bei den Nazis unbeliebt gemacht, schrieb im Sommer 1936 das Singspiel 'Axel an der Himmelstür', eine Parodie auf Hollywood und die Garbo.
Nach der Premiere, die am 1. September 1936 im Theater an der Wien stattfand, berichteten auch die schwedischen Zeitungen über ihren Erfolg.
Svenska Dagbladed bringt die Schlagzeile:
"...Zarah hat großen Erfolg in Wien..."
Stockholms Didningen notiert:
"...Zarah erobert die Wiener im Sturm, eine so wilde Begeisterung hat man seit den Tagen der klassischen Operette nicht mehr erlebt...
Und in der Wiener Musik- und Theaterzeitung Tonfilm, Theater, Tanz vom Oktober 1936 heißt es u. a.:
"...In Zarah Leander hat die Filmdiva eine ausgezeichnete Interpretin gefunden. Diese nordische Schauspielerin hat echtes Theaterblut in sich. Sie ist eine faszinierende Bühnenerscheinung von ebenbürtiger Gestalt und das rötlich schillernde Haar verleiht ihr den Reiz der Exotik. Sicher und überlegen spielt und singt sie, ihre klangvolle Altstimme verrät samtigen Glanz..."
Während sie mit riesigem Erfolg jeden Abend auf der Bühne einen verwöhnten Hollywoodstar spielte, drehte sie tagsüber in den Ateliers Wien-Rosenhügel ihren ersten deutschsprachigen Film 'Premiere'. Sie spielt einen attraktiven Revuestar. Die beiden Lieder, Ich hab vielleicht noch nie geliebt und Merci, mon ami stammen daraus. Jetzt klopft neben Hollywood und London auch die Ufa in Gestalt des jungen Vizepräsidenten der Reichsfilmkammer Berlin an und unterbreitet Zarah Leander ein sagenhaftes Filmangebot. Ohne Rückendeckung von Goebbels bespricht Hans-Jakob Weidemann mit der Leander die Möglichkeit, zur Ufa nach Berlin zu kommen. Die Begegnung fand übrigens in einem Wiener Caféhaus statt, wo die Leander mit ihrem Partner Max Hansen den Vizepräsidenten erwartete und beinahe übersehen hätte, da sie sich unter diesem Titel einen ehrwürdigen älteren Herrn vorstellte.
Den Vertrag, den sie nach diversen Vorgesprächen schließlich am 28. Oktober 1936 unterzeichnet, bindet sie vorerst für drei Filme, die zwischen dem 1. Februar 1937 und dem 31. Januar 1938 zu realisieren sind, an die Ufa. Die Ufa hatte die Option, den Vertrag jeweils um 14 Monate zu verlängern. Gestaffelte Gage 200.000, 300.000, 400.000 Reichsmark, 53 % in Schwedenkronen. Die Zahlung erfolgt monatlich. Mitspracherecht bei Wahl der Stoffe und Komponisten. Nach Vertragsabschluss musste sich der Vizepräsident der Reichsfilmkammer, Hans Jakob Weidemann, von Goebbels bittere Vorwürfe anhören, da dieser nicht begeistert war von der Idee, dass die Ufa ausgerechnet eine Ausländerin zur Leading-Lady der eigenen Gesellschaft und, wenn möglich, des gesamten deutschen Films aufbauen wollte. Er betrachtete es als Armutszeugnis, dass das stolze Dritte Reich nicht eine eigene Garbo produzieren konnte.
Nach ihren drei Ufa-Filmen: Zu neuen Ufern, La Habanera und Heimat war sie bereits so populär, dass sich Goebbels der öffentlichen Anerkennung beugte. Sie war jetzt die Henne, die goldene Eier legte. Alle 10 Filme, die sie bis 1942 drehte, gehörten von den Einspielergebnissen her zu den jahresbesten.
Der Ton in Goebbels Tagebüchern ändert sich schlagartig, als er merkte, dass nicht nur das deutsche Publikum, sondern halb Europa dieser geheimnisvollen Stimme der Sehnsucht mit dem überdimensionalen Leidenspathos zu Füßen lag. Auch im neutralen Schweden berichtet die Presse überschwänglich von Zarahs Erfolgen und schickt Sonderkorrespondenten nach Berlin. Als der österreichische Film Premiere zusammen mit ihrem ersten Ufa-Film Zu neuen Ufern bei den Filmfestspielen in Venedig präsentiert wird, berichten die schwedischen Zeitungen stolz
"...Zarah Leander repräsentiert Schweden mit einem österreichischen und einem deutschen Film...".
Die schwedische Presse formulierte damals keine Vorwürfe, weshalb die Leander ihr Talent der braunen Filmindustrie zur Verfügung stellte. Im Gegenteil, die Filme liefen alle auch mit großem Erfolg in Schweden, die schwedische Wochenschau stellte im November 1938 die Premiere von Heimat in Stockholm heraus. Der Ton ändert sich nun keinesfalls, wie man annehmen müsste, mit Beginn des Krieges, sondern erst nach Stalingrad. Ein Pressefoto aus dem Jahre 1941 belegt dies, als die Leander zur deutschen Kulturwoche in Paris weilte und u.a. auch von Jean Cocteau empfangen wird. Es zeigt den Star, wie er auf den Champs-Elysees Autogramme nicht nur an deutsche Soldaten, sondern auch an französische Verehrer verteilt. Dieses Bild wird in der schwedischen Presse mit einem freundlichen Text publiziert. Erst nach dem Krieg steht unter dem Bild: "Sie schämte sich nicht, an die Besatzer von Paris Autogramme zu geben". Von den 10 Filmen, die die Leander bis 1942 in Babelsberg bei der Ufa drehte, sind fünf Kostümfilme, und nur in Die große Liebe (1942) spielt sie in einer zeitgenössischen Rolle, die so angelegt ist, dass sich im vierten Kriegsjahr die deutschen Frauen mit der Leander identifizieren konnten. Ihre Karriere befindet sich jetzt auf ihrem Höhepunkt. Ihre Lieder Der Wind hat mit ein Lied erzählt, Kann denn Liebe Sünde sein, Nur nicht aus Liebe weinen, Er heißt Waldemar waren in aller Munde und die Schallplatten erreichten Millionenauflagen. Viele dieser Titel nahm sie jeweils in Deutsch, Schwedisch und Französisch auf. Aufnahmestudios standen ihr in Berlin, Stockholm und Paris zur Verfügung. Daher konnte sie auch Lieder von Komponisten, die im Reich verboten waren, wie z. B. Bei mir bist du schön von Shalum Sekunda, im April 1938 in Stockholm ohne Schwierigkeiten aufnehmen.
Im Mai 1940 wählten die Leser einer Schweizer Filmzeitung sie zum Star Nr. 1. Erst an dritter Stelle ihre Landsmännin Greta Garbo, Marlene Dietrich weit abgeschlagen auf Platz 18.
1939 hatte sie sich mit ihren Film- und Schallplattengagen einen komfortablen Landsitz in Schweden gekauft. Ihre Karriere und ihr Gut Lönö nahmen sie voll in Anspruch. Im Deutschen Reich, das heißt in Berlin, hielt sie sich jeweils nur so lange auf, wie sie für Film- und Schallplattenaufnahmen gebraucht wurde. Im Gegensatz zu ihren ausländischen Kollegen, wie der Rökk, der Söderbaum oder Heesters, konnte sie das Reich jeweils ohne Probleme verlassen, da sie ihren schwedischen Pass behielt. Sie musste auch das Gefühl gehabt haben, ihre schwedischen Landsleute akzeptierten voll, dass sich ihre Karriere im nationalsozialistischen Deutschland im Zenit befand, konnte sie doch während der Dreharbeiten zu Es war eine rauschende Ballnacht den Berliner Zeitungen entnehmen, dass sich das schwedische Staatsoberhaupt König Gustav V. im Februar 1939 in Berlin aufhielt, um in der schwedischen Gesandtschaft Hermann Göring den höchsten schwedischen Militärorden, das Großkreuz des Schwertordens mit Kette, zu überreichen. Vor Drehbeginn zu 'Die große Liebe', nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941, telegrafierte Gustav V. an Hitler und wünschte:
" ... großen Erfolg im Niederschlagen des Bolschewismus".
Nach Kriegsausbruch verdoppelt Schweden seinen Holzexport nach Deutschland und verfünffachte seinen Zelluloseexport. Die Granaten und Bomben, die die Deutschen auch gegen den dänischen und norwegischen Widerstand einsetzten, stammten zum großen Teil aus Schwedenerzen. Von 1933 - 1945 stammt sage und schreibe bis zu 40 % der Hitlerdeutschen Stahlproduktion von schwedischen Erzen. Als Dank für die pünktlichen Lieferungen wurde Schweden bevorzugt von den Deutschen mit Kohle und Koks beliefert und die schwedische Bevölkerung erhielt pro Kopf mehr davon als die eigene deutsche. Interessant ist auch noch zu erwähnen, dass am 5. Oktober 1941 Deutschlands Fußballnationalmannschaft in Anwesenheit des schwedischen Königs in Stockholm 2 : 4 gegen Schweden verliert. Den Kriegsausbruch selber schien die Leander jedoch mit gemischten Gefühlen aufgenommen zu haben. Goebbels notierte am 11. Januar 1940 in sein Tagebuch:
"Frau Leander hat Sorgen wegen ihrer Kinder. Sie fürchtet, dass Schweden in den Konflikt hineingezogen werden könnte.
Ich beruhigte sie etwas. Frauen sind gänzlich unpolitisch."
Den vorletzten Film, den die Leander für die Ufa drehte, bevor sie 1943 endgültig Deutschland verließ, war 'Die große Liebe' unter der Regie von Rolf Hansen. Der Luftwaffenpilot Paul Wendland (Viktor Staal) lernt die Sängerin Hanna Holberg (Zarah Leander) kennen. Liebe, Trennung, Wiedersehen, erneute Trennung, erneute große Liebe. Das geht so durch das ganze besetzte Europa. Die Lieder 'Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn' und 'Davon geht die Welt nicht unter' haben die Zeit überdauert und sind Evergreens geworden.
Dazu der amerikanische Filmhistoriker David Stewart Hull: "...Der Zarah Leander-Musikfilm ist ein interessanter Fall. Bei der Handlung ging es um eine Romanze zwischen einem jungen deutschen Luftwaffenoffizier, der sich im Urlaub in eine schöne Revue-Schauspielerin verliebt und ihre ständigen Schwierigkeiten, da der Krieg ihre Verbindungen unterbricht. Regisseur Rolf Hansen schaffte es, die eigentlich banale Geschichte mit einer überzeugenden Aura von Kriegshysterie und ihre Auswirkung auf die Zivilbevölkerung zu versehen. Obwohl der Film dem Musikgenre angehört, ist 'Die große Liebe' eigentlich ein bitterer und pessimistischer Film, und der Propagandagehalt war so gering, dass es möglich war, den Film nach dem Krieg mit einem Einführungsvermerk wieder aufzuführen..."
Zarah Leander konnte wie keine andere die große Liebende und Leidende verkörpern. Dadurch konnten sich gerade Frauen mit ihr sehr identifizieren. Im dritten Kriegsjahr mussten die Menschen mehr und mehr damit fertig werden, dass sie an der Entfaltung ihres privaten Glücks gehindert wurden und mussten sich unabänderlichen Befehlen unterordnen. Im Kino wurden sie jetzt von Zarah nicht nur getröstet, vielmehr wird ihnen ein Lernprozess vorgeführt. Zarah lernt zwar widerwillig und unter Tränen, wie eine Liebe in Deutschland sich den immer härter werdenden Kriegsbedingungen des Jahres 1941 zu fügen hat.
Übrigens hatte dieser Film auch in der neutralen Schweiz seine Funktion erfüllt. In der Schweiz herrschte von September 1939 bis Mai 1945 die totale Mobilmachung, das heißt, die Schweizer Armee bewachte die Grenzen, die Soldaten waren im Dauereinsatz. Trennungsschmerz war auch in der Schweiz, wenn auch in gemilderter Form und nicht mit den tödlichen Konsequenzen wie im übrigen Europa, ein Gefühl, das jetzt der Therapie bedurfte. Daher lief 'Die große Liebe' wochenlang vor ausverkauften Kinos, obwohl die Schweizer Bevölkerung kein Interesse an einem Sieg Hitlers über Europa hatte.
Die Chansons aus dem Film wurden damals nicht als Propagandalieder entlarvt. Aus meiner Sicht sind es Liebes- und Trostlieder, die nur im Zusammenhang mit dem Inhalt eine erzieherische Wirkung auslösten. Als Propagandalieder mit dem Ziel, Welteroberungspläne durchzusetzen, wären sie in der neutralen Schweiz nicht zum Einsatz gekommen. Erst nach dem Krieg wurden sie mit dem Prädikat Durchhaltelieder versehen. Viele, die dies behaupten, kennen noch nicht einmal die Texte. 'Davon geht die Welt nicht unter' war übrigens schon ab Januar 1942 im Rundfunk zu hören. Dies geht aus den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS hervor. Aufgabe der SS war es, das Volk zu bespitzeln, und in ihren Meldungen aus dem Reich gab sie ihre geheimen Lageberichte weiter. Unter Stimmen zum Rundfunk heißt es da am 22. Januar 1942:
"...Es werde bedauert, dass in letzter Zeit Sendungen, die sich bewährt hätten, so lange immer wieder gebracht werden, dass die anfängliche Zustimmung in ihr Gegenteil umschlage. Es werde besonders an das häufige Auftreten Zarah Leanders mit ihrem Lied 'Davon geht die Welt nicht unter' erinnert...".
Und am 5. Februar 1942:
"...Nachdem man kurz vorher erst den Schlager 'Davon geht die Welt nicht unter' mit Zarah Leander nahezu zu Tode gehetzt habe, verfahre man jetzt mit den neuen Schlagern auf die gleiche Weise..."
Zarahs treuester Textdichter Bruno Balz (1902 - 1988): 'Kann denn Liebe Sünde sein', 'Der Wind hat mir ein Lied erzählt,' hat unter dem Vorwurf, ein Durchhaltelied für die Nazis verfasst zu haben, sehr gelitten. Er war alles andere als ein angepasster Nazi. Sein sexuelles Verhalten entsprach nicht der Norm der damaligen Zeit. Viele Homosexuelle wanderten während des Dritten Reiches in die KZs. Bruno Balz wurde 1941 denunziert. Er war schon drei Wochen in der Prinz-Albrecht-Straße bei der Gestapo und rechnete täglich damit, in ein KZ weitergeleitet zu werden. Da holte ihn der Filmkomponist Michael Jary mit der Begründung heraus, er brauche ihn für den nächsten Zarah- Leander-Film. Als Bruno Balz seine Zelle verlassen konnte, fiel ihm die Textzeile 'Davon geht die Welt nicht unter 'ein. Er meinte damit die Verfolgung, der er und seine Leidensgenossen ausgeliefert waren. Schon hatte er eine Liedzeile für einen Leander-Schlager, dass dies im Nachhinein so missinterpretiert wurde, finde ich besonders tragisch.
Ansonsten konnte er sich damit trösten, dass die Kritikerin Karena Niehoff 1973 im Tagesspiegel über die Chansons und Lieder, die zum größten Teil aus seiner Feder stammen, schrieb:
"...Wie sind diese zum Teil ja wirklich weltläufigen, schnodderigen, emanzipierten Lieder, ihre hier und da fast süchtigen, schickschleifenden Melodien in die gedrückte Welt der sonst so ehrenpingeligen, kleinbürgerlichen, blauäugigen, strammen Nazis überhaupt einzubringen gewesen? Dergleichen war doch wohl undeutsches Liedgut und fast schon destruktiv..."
Aber nun wieder zurück zu Zarahs Filmkarriere, die sich im Jahre 1942 im absoluten Zenit befand. Abermals unter der Regie von Rolf Hansen stand sie für ihren letzten Ufa-Film Damals an 47 Drehtagen zwischen dem 15. August und dem 1. November 1942 vorerst zum letzten Mal vor einer Filmkamera. Der Film selber ist ein typisches Zarah-Leander-Melodram und gibt dem Star die Möglichkeit, das urgewaltiges Leidenspathos, das ihre Anhänger auch heute noch so an ihr schätzen, zu entfalten.
"Zarah Leander stand für die Schönheit des Leidens, jede Entbehrung schien sie noch schöner zu machen." (Georg Seeßlen)
Die beiden Lieder 'Jede Nacht ein neues Glück' und 'Einen wie dich könnt ich lieben' trägt sie souverän vor, sie bilden die Highlights des Films. Neben ihrem bewährten Partner Hans Stüwe agiert auch der junge feurige Italiener Rossano Brazzi in seiner ersten Filmrolle als Zarah Leanders Liebhaber. Die Außenaufnahmen fanden in Rom statt. Noch nach Jahrzehnten erinnert sich Brazzi an die Kussszene mit der Leander:
"Sie musste so oft wiederholt werden, dass am Abend meine Lippen schon etwas geschwollen waren."
Der Leander unterliefen dauernd kleine Patzer, aber beide schienen diese Wiederholungen zu genießen.
Während der Dreharbeiten fasste Zarah Leander den Entschluss, ihre Filmkarriere in Deutschland vorerst zu beenden. Sie weihte nur wenige Menschen ein, unter anderem ihren Regisseur Rolf Hansen, der mir dies 1983 für die Filmdokumentation 'Mein Leben für Zarah Leander' mitteilte. Zur Uraufführung von 'Damals' am 3. März 1943 kam sie zum letzten Mal während des Krieges nach Berlin. Es war längst nicht mehr ihr Berlin - der fortschreitende Krieg, die Bombardierung der Alliierten hatte das Leben in der Reichshauptstadt total verändert. Als die Leander nach der Premierenfeier ihre Grunewald-Villa, einen langgestreckten Bungalow an der Max-Eyth-Straße 12 b, in dem sie seit 1941 während ihrer Berlinaufenthalte jeweils residierte, mit ihren Kollegen aufsuchen wollte, brannte schon der Küchenflügel, von einer Brandbombe getroffen, lichterloh. Mit der Hilfe der Feuerwehr war nicht zu rechnen, ganz Berlin schien zu brennen. (Die Villa Wildpfad 24, die sie von 1937 - 1941 bewohnte, ist inzwischen leider abgerissen worden.)
Zarah Leander, die glaubte, sich aus der Politik heraushalten zu können, sah sich jetzt zum ersten Mal mit der realen Kriegswirklichkeit konfrontiert. Das Glück wohnte für sie nicht mehr in Berlin, der Abschied fiel daher nicht schwer, zumal sie sich in Berlin ja immer nur als Gastarbeiterin gefühlt hatte . Ihre Familie wohnte längst in Sicherheit auf ihrem Gut Lönö in ihrer Heimat, dem neutralen, vom Krieg verschonten Schweden. Dorthin kehrte sie im März 1943 zurück.
Ab 1. September 1943 war die Leander von ihrem Ufa-Vertrag befreit und glaubte, naiv wie sie war, in Schweden ihre Karriere fortsetzen zu können. Inzwischen war aber die Nach-Stalingrad-Ära angebrochen. Die Leander saß zwischen den Stühlen. Sie wurde wie eine Feindin behandelt. Die Anklage lautete: Sie hat für die Nazis gefilmt.
Da sie aber einen Vertrag mit der Ufa hatte und nicht mit Goebbels oder der NSDAP, konnte sie während des Krieges einem schwedischen Journalisten auf dessen Frage, wie es sei, bei den Nazis zu filmen, getrost antworten: "Beim Film gibt es keine". Außerdem glaubte sie als neutrale Schwedin, sich aus der Politik heraushalten zu können. Die schmale Gratwanderung zwischen Ruhm und Unabhängigkeit gelang nur zeitweise. Sie war Trost für das Publikum und gleichzeitig Werbung für das Regime. Der Regisseur Douglas Sirk alias Detlef Sierck, der mit ihr 1937 die beiden Filme 'Zu neuen Ufern' und 'La Habanera' drehte, bevor er Ende 1937 über Frankreich in die USA emigrierte, meinte dazu in den 80er Jahren: "Zarah war weder Nazi noch Nicht- Nazi, sie wollte Karriere machen". Sie selber hat es auch akzeptiert, nach dem Krieg als politische Idiotin bezeichnet zu werden und meinte, sie habe ja nur Liebesfilme gedreht.
Zwischen allen Stühlen sitzt die Leander nun, aber immerhin ist es ein komfortabler Landsitz, den sie sich von ihren Filmgagen und vor allem von den Einnahmen ihrer Schallplatten 1939 erworben und ausgebaut hat. Das Haus besteht aus zwei Etagen mit 39 Zimmern, die alle mit Antiquitäten, aber auch moderner Kunst bestückt sind. Das Paradestück und Zarahs Lieblingszimmer ist die Bibliothek im Erdgeschoß. Zum Gut Lönö gehören 59.000 m² Grund, Fischgewässer mit großem Heringsbestand, Wälder, Äcker sowie 22 Inseln, Holme und Scheren. Hier lebt sich`s gut, hier wartet die Leander auf einen günstigen Zeitpunkt, ihre Karriere in Schweden fortzusetzen.
In den deutschen Zeitungen wurden fortan keine Artikel mehr über die Leander publiziert. Nur einmal erschien ein Nachruf in dem von Heinrich Himmler herausgegebenen Politischen Dienst für SS und Polizei:
"...'Zu neuen Ufern'. Wir sahen sie eine Zeitlang nicht, das Überweib Zarah Leander. Kaum wissen wir noch, wie das war, als sie zum ersten Mal im deutschen Film auftrat.'Kann denn Liebe Sünde sein', bei ihr war sie es nicht, und wenn sie es wäre - und den Eindruck hatte man bei ihr oft - so war es ihr egal. 'Yes Sir '- der Weg zur Dirne war bei ihr nie weit und ein vollendet begangener Schleichpfad zum Glück. 'Mein Leben für die Liebe,' jawohl! 'Eine Frau wird erst schön durch die Liebe' - die sich in Ruhm und Geld umsetzen läßt. So ging es endlos in ihren Filmen - als der Krieg ausbrach, schaltete sie einen neuen Gang heroischer Leidenschaft ein. Immer wieder fiel sie auf die Füße und sie fiel oft und mit Inbrunst in zweideutige Situationen.
Ganz echt und ganz zu Hause war sie aber in den Bars, in den Tanzlokalen und in dem Milieu der Chansonsängerin, wo sie sich und ihre Fähigkeiten ungehemmt anpreisen konnte. 'Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn' und das Wunder geschah: Zarah spielte die brave Ehegattin und die aufopfernde Mutter, und das Publikum war zu Tränen gerührt ob so viel selbstlosen Frauentums. Nur die Gage stieg dabei, und die Skala der Gefühle der Zeitgenossen wurde restlos abgenutzt und die jungen Mädchen versuchten, die kleine Kokotte zu spielen, so lange es zu der großen ihres Schlages nicht reichte. Ihr Thema aber blieb die Liebe, dort war am meisten zu verdienen. Ob sie jemals hingebungsvoll und echt geliebt hat, sei dahingestellt. Es scheint, dass für diese importierte Schwedin, kühl, berechnend und raffiniert wie sie war, die Liebe nie mehr als ein Spiel gewesen ist, das sie auf der Leinwand und mit den verworrenen Gefühlen eines unzulänglich unterrichteten Publikums geschmeidig und finanziell sehr bekömmlich jahrelang betrieb.
Erst hat sie eine mondäne Frau in Deutschland darstellen und dann fortschreitend die deutsche Frau verdrängen und ersetzen wollen. Wir haben sie dabei großgemacht. Ihre Bilder haben jeden Bunker geschmückt, und sie war für viele Landser der Inbegriff der Weiblichkeit geworden. Nun sitzt wohl der Iwan in den Bunkern und kann sich an ihrem polierten Lächeln ergötzen. Wir wünschen ihm gute Unterhaltung dabei! Zarah ist entschwunden. Sie ist davongefahren, als bei uns die Wiese der Erotik abgegrast und genug Geld verdient war. Man kann sie zwar noch ausleihen und mit ihr eventuell Devisen erobern, aber wir sind vor neuen Filmen bewahrt und die deutsche Frau kann wieder Atem holen. Zarah schwamm 'Zu neuen Ufern' davon. 'Nur nicht aus Liebe weinen', wir trauern ihr nicht nach. War das ein Reinfall? - 'Davon geht die Welt nicht unter '- klingt höhnisch unsere Erkenntnis hintendrein..."
Die Leander hat die Auseinandersetzung um ihre Person aus der Perspektive des Involviertseins mit der Politik nie verstanden. Für sie war immer nur ihr Publikum, der Applaus, die Zuwendung und sicher auch die nicht geringe Gage entscheidend für ihr künstlerisches Engagement. In ihren 1972 erschienenen Memoiren Es war so wunderbar mein Leben sagt sie dazu:
"...Wo steht denn geschrieben, dass ausgerechnet Künstler etwas von Politik verstehen müssen? Ich bin fast froh darüber, dass man mir das Etikett politischer Idiot aufgeklebt hat. Wenn ich das aber wirklich bin, sollte man mich mit grundlosen Anklagen wegen einer politisch fragwürdigen Vergangenheit in Ruhe lassen.
In einem Fernsehprogramm hat mich Lasse Holmquist unverblümt gefragt: Warst du Nazi? Und ich habe ebenso unverblümt geantwortet:
"Nein! Ich habe schon längst jegliches Interesse für diesen ganzen Fragenkomplex verloren, und doch muss ich immer wieder mit demselben kategorischen Nein! auf dieselbe dumme Frage antworten. Ich weiß von vielen, vielen Menschen in Europa und sogar hier in Schweden, die aus Begeisterung oder Opportunismus Nazis waren, die aber ihren Glauben und ihre Ansichten gewechselt haben und nun als ganz untadelig gelten. Ich konnte die politische Farbe nicht wechseln, weil ich nie eine gehabt habe..."
1947 stand die Leander zum ersten Mal nach dem Krieg wieder vor Publikum. In Rom pflegte man damals den Brauch, vor dem Hauptfilm im Kino ein Varieté-Programm zu präsentieren. In einigen dieser Vorprogramme war die Leander Stargast. Sie war sich dafür nicht zu schade. Sie wollte endlich einmal wieder vor einem Publikum stehen.
Oft besuchte sie in dieser Zeit auch die Schweiz, ihr Erscheinen im mondänen Skiort St. Moritz sorgte für besonderes Aufsehen, zumal sie in großer Robe, Sonnenbrille, Zigarettenspitze jetzt in Begleitung ihrer erwachsenen Kinder zu sehen war.
In der Schweiz traf sie auch auf den Komponisten Ralph Benatzky, der ihr ein Auftreten beim Genfer Rundfunk vermittelte. Hier entstanden auch ihre ersten Nachkriegsschallplattenaufnahmen. Am 24. Oktober 1947 nahm sie die beiden französischen Lieder Triste Sérénade und Valse des souvenirs auf sowie die beiden deutschen Titel 'Frag' mich nicht, ob ich dich liebe' und 'Lass mich gehn'.
Die Nachkriegskarriere begann sich zu entwickeln. Bern, Basel und Zürich waren jetzt die nächsten Stationen für Konzertauftritte nicht nur vor einem begeisterten Publikum, auch die Kritiker hatten nur Lobendes zu berichten:
"...Wenn der große Casino-Saal bis zum letzten Platz ausverkauft ist, dann will das für Bern etwas heißen, aber Zarah Leander ist schließlich ein Name, der auch heute noch Zugkraft besitzt. Charmant, einmalig im Timbre ihrer Stimme und eben nicht nur Sängerin, sondern auch eine Schauspielerin von großem Format: wie wir sie vom Film her kennen, so ist sie geblieben. Die Chansons zeichneten sich durch vollendete Dynamik aus und zogen das Publikum in ihren Bann. Mit tobendem Beifall dankten die Zuhörer der Künstlerin nach jedem Vortrag und als die Ovationen zum Schluss des Konzertes nicht enden wollten, verabschiedete sich Zarah Leander mit einer sehr netten Geste, indem sie als Beigabe das Lied Sag mir nicht Adieu, sag nur Auf Wiederseh`n vortrug..." (Der Bund, 4. März 1948)
1948 trifft sie wieder mit dem Komponisten Michael Jary zusammen. Eine große Tournee durch Deutschland wird vorbereitet.
In einem Interview in Zürich am 1. November 1948 erklärt die Künstlerin:
"Ich freue mich auf Deutschland. Wo sollte ich lieber singen als in dem Land, aus dem meine Lieder kommen, die mich zu dem machten, was ich geworden bin? Leider verzögert sich meine Reise und meine Ungeduld wächst. Ich lebe in meinen Liedern, sie bedeuten mir alles. Wenn man mir daraus einen politischen Vorwurf machen will, wie das hie und da geschieht, das verstehe ich nicht. Da ich Deutschland liebte, dort filmte und sang, war Deutschland immer für mich eine zweite Heimat."
Ihre erste Nachkriegskonzertreise 1948/49 gestaltete sich zu einem Triumphzug, begleitet wurde sie von Michael Jarys 40 Mann starkem Filmorchester.
"... Es ist charmant von ihr, die Deutschen jetzt zu besuchen, wo wir so gar keine Beliebtheit und kein Ansehen genießen, und uns ein paar Lieder vorzusingen, wenn es auch meist sentimentale Lieder sind, die uns erinnern, aber nicht trösten...",
bemerkte dazu die Wochenzeitung Die Zeit am 17. Februar 1949.
Am 5. August 1949 konnte sie endlich auch in ihrer Heimat Schweden in Malmö auftreten.
"...Als der Vorhang auseinanderflatterte, warf sie die rote Mähne zurück, ließ das neue Abendkleid im Licht der Scheinwerfer auffunkeln und begann mit RalphBenatzkys 'Yes Sir!' 1700 Besucher klatschten so begeistert Beifall, dass es lebensgefährlich gewesen wäre, gegen diese Wogen zu schwimmen. Nach 13 Jahren haben wir sie wieder, diese einzigartige Frau mit dieser einzigartigen Stimme. Wir dürfen uns glücklich preisen, dass sie zu uns gehört, obwohl sie hinterher verriet, am liebsten ginge sie wieder nach Deutschland filmen. Mit solchen und ähnlichen Worten feierte die schwedische Presse das Wiederauftreten Zarah Leanders auf den Bühnen ihrer Heimat, genau gesagt im Stadttheater von Malmö. Ihr Erfolg scheint den Bann gebrochen zu haben, in den Schweden seine große Künstlerin getan hatte, als die Mär ausgesprengt wurde, sie sei nicht nur für den deutschen Film, sondern auch für die deutsche Spionage tätig gewesen. Ihr Wunsch, wieder in Deutschland zu filmen, dürfte nicht unerfüllbar sein. Der treue Husar aus dem Norden ist noch immer so zugkräftig wie je, auch wenn sich die Filmehren inzwischen mit Schwiegermutterwürden gepaart haben. In Malmö verabschiedete sich Zarah von den Zuhörern mit Cole Porters Schlagerlied Wunderbar. Dieser versteckte Dank soll die Gemüter bis auf die Schuhsohlen aufgerührt haben..." (Welt, August 1949)
Jetzt war auch der Weg frei für Berlin. Am 14. August 1949 gab sie hier ihre ersten Konzerte.
Vom Volksblatt Berlin wurde sie gefragt:
"... warum sie nach Berlin gekommen sei. Sie sagte lächelnd: Ich liebe mich selbst und wollte mir selbst diese Freude bereiten. Und Michael Jary fügte hinzu, dass Frau Leander Deutschland, das sie berühmt gemacht habe, zu großem Dank verpflichtet sei. Sie liebe Deutschland und wolle deshalb ihren ersten Nachkriegsfilm wieder in Deutschland drehen. Es liegen Angebote aus Hamburg und München vor..."
Das Publikum in der Riesenhalle des Corso-Theaters war am Sonntag genauso von Zarah Leander begeistert wie dasjenige am Abend zuvor in der Filmbühne Wien.
Einer Nachkriegsfilmkarriere stand nun nichts mehr im Wege. Nach mehr als 7 Jahren stand die Leander ab dem 5. Januar 1950 wieder vor einer Filmkamera. Unter der Regie von Geza von Cziffra spielte sie in dem Film 'Gabriela', den die Real-Film, Hamburg, produzierte, eine mondäne Barsängerin mit dunkler Vergangenheit.
Der Produzent Walter Koppel gründete mit seinem Kompagnon Gyula Trebitsch 1947 die Real-Film. Koppel wurde während des 3. Reiches als Linker inhaftiert und hatte die Diktatur im KZ Fuhlsbüttel überlebt. Trebitsch, als Jude von den Nazis verschleppt, erlebte das Kriegsende im KZ Wöbbelin bei Ludwigslust. Ihre leidvollen Erfahrungen mit dem vergangenen Regime waren für sie kein Hinderungsgrund, jetzt den einstigen Ufa-Star Nr. 1 unter Vertrag zu nehmen.
Es wurde ein typischer Zarah-Leander-Film, zusammengebaut aus diversen Erfolgsfilmen der Ufa-Zeit: Einige Szenen erinnern an 'Die große Liebe', andere an 'La Habanera' oder an 'Heimat'. Nur der Star, die Diva, das Leander-Filmgesicht, hatte etwas von der klassischen Filmschönheit eingebüßt: es war sieben Jahre älter geworden. Die ganz große Großaufnahme (neben der Stimme wichtigster Bestandteil und Höhepunkt eines jeden Leanderfilms) war nicht mehr möglich.
Trotzdem strömten die Menschen in die Kinos, wurde dieser erste Nachkriegsfilm (was leider oft unterschlagen wird) von den Besucherzahlen her ein Riesenerfolg.
Der Spiegel berichtete über die Verleihgeschäfte:
..."Die Zarah verkoof ick doch mit zujebundenen Oogen..." sagte ein Verleihagent im Falle 'Gabriela'. Die sonst vorsichtigen Verleihagenten verlangten für den neuen Zarah- Leander-Film nicht einmal Prospekte. Die westdeutschen Kinobesitzer rissen sich förmlich um 'Gabriela'. Mehrere Male wurde der Film gleich zweimal in einer Stadt verkauft. In sämtlichen 42 bundesdeutschen Großstädten geht 'Gabriela' nach der Voraufführung am 6. April in Zürich und Frankfurt, zu Ostern über 50 Leinwände. In Walter Koppels Hamburger Realstudios, in denen dieser teuerste DM-Film von Ceza von Cziffra gedreht wurde, ist man mit den Gabriela-Aussichten zufrieden. Der teuerste äußere Rahmen um den teuren Star hat sich schon gelohnt. Nach den gelungenen deutschen Verleihgeschäften gibt sich die ausländische Kundschaft die Türklinke in die Hand. Verträge mit acht europäischen Ländern sind bereits unter Dach und Fach gebracht. Mit Spanien wird noch verhandelt, und Südamerika zeigt sich hochinteressiert. Man rechnet mit dem notorischen Erfolg einer Zarah- Leander-Geschichte mit obligater Zarah- Leander-Stimme. Beides steht im Drehbuch. Gehobene Gesellschaftskreise und Variete-Garderobe, großes Orchester und Jazzkapelle, Chanson und Wiegenlied. 'Es gibt keine Frau, die nicht lügt' und 'Wenn der Herrgott will'. Alte Leander-Traditionen..."
In den ersten drei Wochen hatten bereits 1.203.694 Kinobesucher den Film konsumiert. In der Jahresbilanz stand er nach Schwarzwaldmädel und Der dritte Mann an dritter Stelle. (Welche deutschen Filme können heute diese Einspielergebnisse vorweisen?) Die Kritiker allerdings waren weniger begeistert. Besonders Zarahs Kostümierung wurde als ungünstig empfunden - die Leander musste manche Häme einstecken. Mit der immer noch faszinierenden, wenn auch inzwischen noch tieferen Stimme, befasste sich kaum ein Rezensent. Vielleicht ahnte damals niemand, dass diese Stimme auch noch dieses Jahrhundert überleben würde.
Die Leander hatte jetzt erst einmal vom Filmen die Nase voll. Da sie sich vor Angeboten von Konzertauftritten aus aller Welt nicht retten konnte, begab sie sich 1951 erstmals auf eine kleine Welttournee.
1952 - In München Geiselgasteig beginnen im September die Dreharbeiten für den zweiten Nachkriegsfilm 'Cuba Cabana'. Diesmal sollte alles anders werden, einmal kein Mutter-Tochter-Drama. Dafür bekommt die Leander als jungen Liebhaber O. W. Fischer (1915) an die Seite gestellt, dessen Karriere sich in dieser Zeit rasant entwickelte. Die Außenaufnahmen fanden in Madrid statt, die spanische Presse feierte den Star, es gab sogar einen Empfang beim Oberbürgermeister. Da Rolf Hansen, Zarah Leanders bewährter Spielleiter aus großer Ufa-Zeit, nicht überzeugt werden konnte, Regie zu führen, übernahm dies Fritz Peter Buch.
Zarah ist immer nur so gut wie das Team, das sie betreut, dieser Satz fällt mir dazu ein. Aber es sind die fünf Lieder, getextet von Bruno Balz, die die Leander zwischen Resignation, Leidenschaft und Sehnsucht vorträgt, die diesen Film heute noch sehenswert machen.
Im Filmecho vom 24. Januar 1953 hieß es dazu u. a.:
"...Der Film, der weder im Thema noch in der Durchführung ganz an die früheren großen Leander-Filme heranreicht, gewinnt allerdings durch Darsteller wie Paul Hartmann und O. W. Fischer eine gewisse Kontur. Um seinen geschäftlichen Erfolg aber braucht kein Theaterbesitzer bange zu sein. Die bisherigen Aufführungen bewiesen, wie sehr der Name der Künstlerin das Publikum in seinen Bann schlägt..."
Aus meiner Sicht endet die Filmkarriere der Leander 1953. 'Ave Maria' ist diesmal wieder ein typisches Leander-Melodram, die Stimme kann sie in zwei gelungenen verruchten Chansons (Text Bruno Balz) und einem zarten Liebeslied voll zur Geltung bringen, dazu zweimal das Ave Maria von Bach / Gounod mit Inbrunst vortragen.
Trotzdem:
"...keiner ihrer Nachkriegfilme wurde von den Einspielergebnissen her ein Misserfolg, obwohl dies fälschlicherweise oft so dargestellt wird..." (Quelle: Jahresbilanz Film-Echo).
Die Filmkarriere war zu Ende. Was früher einem Sakrileg gleichgekommen wäre, war jetzt Fakt: Der Filmstar Leander flimmerte ab 1960 vermehrt über den damals noch kleinen Bildschirm. In Schweden hieß eine Show Madame (1960), in der Bundesrepublik sah man sie 1962 in Zarah Diva (ARD) ihre Lieder vortragen. 1964 spielte und sang sie in dem Musical 'Das Blaue vom Himmel' (ZDF), das der aus der Emigration zurückgekehrte Friedrich Hollaender (Der blaue Engel) komponierte. Für die Leander schuf er zwei wunderbare Chansons: 'Mir war die Liebe immer so sympathisch' und 'Das elektrische Klavier'. Erst 1978 war ihr letzter Live-Fernsehauftritt.
Das Glück der Leander - sie war im Gegensatz zur Garbo nicht nur eine Filmschauspielerin, sie kam von der Bühne und kehrte nun wieder dahin zurück. Sie besaß eine ungeheure Ausstrahlung, eine Bühnenpräsenz, die die Zuschauer schon gefangen nahm, bevor die Stimme erklang.
Am 15. März 1957 gastierte die Leander aus Anlass ihres 50. Geburtstages in dem berühmten Stockholmer Varieté Berns, in dem auch Marlene Dietrich aufgetreten ist. Für diesen Auftritt wurde ihr extra ein Chanson auf den Leib geschrieben: 'Jäg har blivit mycket bättre', zu Deutsch: Ich bin viel besser jetzt in meinen alten Tagen, in dem sie ihre Karriere beschreibt, besingt, belächelt. Zarah Leander machte sich zur Feier des Tages über ihre Lorbeeren von gestern lustig. Diverse Male musste sie den Refrain wiederholen, so begeistert applaudierte das vornehme Stockholmer Publikum. Sie trug ein brillantenbesetztes Spitzenkleid, dazu eine aus Weißfüchsen gearbeitete bodenlange Stola und ein Diamantdiadem als Krone auf dem tizianroten Haupt.
Die Gastspiele mussten immer wieder verlängert werden, und selbst die abgedankte Kaiserin Soraya, die in Köln weilte, ließ es sich nicht nehmen, der Leander zuzujubeln. Aber auch im Stockholmer Varieté Berns war sie nun Jahr für Jahr Stargast. Dazu kamen im Sommer in Schweden Gastspiele in den Volksparks, d. h. Freilichtbühnen, die in Skandinavien Tradition haben.
Auch in der Bundesrepublik, wo sie bisher meistens als Stargast mit Schlagerparaden auf Tourneen war (u. a. mit Ivan Rebroff, René Kollo, Roberto Blanco oder Rudi Carell), wurde sie jetzt von den wenigen Spitzenvarietés, die es noch gab, für eine hohe Gage engagiert. Sechzigmal stand sie dadurch jeweils pro Monat auf den Brettern, die ihr die Welt bedeuteten.
Die Schlagzeilen zu diesen Auftritten lauteten:
"Zarah Leander eroberte Hannover im Sturm. Georg-Palast täglich ausverkauft. Ovationen im Haus Vaterland (Hamburg). Zarah Leander stürmisch gefeiert. Rosen und Tränen um Zarah, immer noch ein großer Star, Zarah Leander gastiert in Aachen. Varieté Kaiserhof Köln: Jubel um Zarah Leander. Das Wunder Zarah Leander."
Von 1958 - 1978 präsentierte sie sich außerdem in Musicals oder Operetten, die teilweise sogar für sie geschrieben und komponiert worden sind, in Wien, München, Hamburg, Berlin, Göteborg und Stockholm einem begeisterten Publikum. Peter Kreuder entwarf die Musik für 'Madame Scandaleuse' (1958 und 1959) und 'Lady aus Paris' (1964 und 1965), die Texte sind von Ernst Nebhut und Karl Farkas, die Lieder, an die man sich erinnert: 'Frauen sind schwer zu durchschauen', 'Ich bin eine Frau mit Vergangenheit' und 'Mich hat die Welt kaltgestellt'. Ohne die Leander wären diese Stücke nie über eine Bühne gegangen.
Dies gilt auch für das Musical 'Wodka für die Königin' (1968 und 1969) von Peter Thomas, Ika Schafheitlin und Helmut Gaur, das der Leander so sehr auf den Leib geschrieben wurde, dass es ohne sie nicht vorstellbar ist. Überlebt hat, da es sich um ein typisches Leanderlied handelt, nur der Song 'Das ist die große Zeit', in dem die Leander ihr ganzes Leidenspathos entfalten kann.
Ein Glücksfall war außerdem ihr Auftritt als Manon Falconetti in 'Eine Frau, die weiß, was sie will' (1960 und 1961) von Oscar Straus mit dem Chanson 'Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben'. In dieser Rolle stand sie schon 1933 in Schweden auf der Bühne. Ihre allerletzte Rolle spielte sie 1975 und 1978 in dem Musical 'Das Lächeln einer Sommernacht' von Stephen Sondheim und Hugh Wheeler. Als eine verflossene Mätresse von Königen hatte sie auch zu sagen:
"Skål auf das Leben und die einzige andere Realität, auf den Tod!"
So weit war es aber noch nicht, obwohl die Altersgebrechen ihres Körpers auf der Bühne nicht mehr zu übersehen waren und in einem krassen Gegensatz zu der immer noch mächtigen Stimme standen. Die Wiener Kritikerin Hilde Spiel registrierte dennoch:
"... Da ist, hinter einem einigermaßen zerrütteten, nachgerade menschenfresserischen Charme jedenfalls Kompetenz und Präsenz zu spüren..."
Vor dieser letzten Bühnenrolle hatte sie sich schon 1973/74 mit einer großen Abschiedstournee von ihrem Publikum verabschiedet. Im Sommer 1978 gastiert sie wieder einmal im Stockholmer Vergnügungspark Gröna Lund, wie immer von ihrem dritten Gatten Arne Hülphers am Klavier begleitet. Nach einem Konzert in der Nacht zum 24. Juli stirbt er an Herzversagen. Erst will die Leander nie mehr auftreten, lässt sich aber überreden, in der schwedischen Inszenierung von Das Lächeln einer Sommernacht nochmals die Rolle der Madame Arnfeldt im Stockholmer Folkan-Theater zu übernehmen, mit der sie 1975 in Wien brillierte. Die Premiere fand am 14. September statt, die Leander wird gefeiert. Am 10. Oktober, vor einer Vorstellung, erleidet sie ihre erste Gehirnblutung. Eine große Karriere findet ihr Ende.
Am 16. Juni 1979 gab Zarah Leander ihre letzte Pressekonferenz. Dort erklärte sie ihren endgültigen Abtritt von der Bühne:
"Ihr werdet mich nie mehr in einer Theaterrolle oder mit einem Mikrofon sehen."
Sie verabschiedete sich mit den Worten aus 'Das Lächeln einer Sommernacht,' ihrer letzten Theaterrolle, die sie wegen ihrer Krankheit aufgeben musste:
"Die Sommernacht hat nur noch ein Lächeln übrig, ein Lächeln für die Alten, Schwermütigen und Einsamen".
Von diesem Lächeln zehrte Zarah Leander in den letzten beiden Jahren. Sie zog sich auf ihr Gut Lönö an der südschwedischen Ostküste zurück und wollte nur noch Besuch von ihrer Familie und ihren allerengsten Freunden. Hin und wieder kam sie auch in ihre Stockholmer Wohnung. Sie war aber an den Rollstuhl gebunden, hatte Sprachschwierigkeiten und musste immer wieder in das Krankhaus zurückkehren.
Am 23. Juni 1981 - kurz vor vier Uhr früh - hat ihr Herz aufgehört zu schlagen. Die Presseagenturen meldeten:
"Die schwedische Filmschauspielerin und Sängerin Zarah Leander ist am Dienstagmorgen in einem Krankenhaus bei Stockholm im Alter von 74 Jahren gestorben. Als Ursache für den Tod der Künstlerin, die Anfang Mai in das Krankenhaus eingeliefert worden war, gaben die Ärzte die Folgen einer Gehirnblutung an."
Noch einmal rauschte es gewaltig im Blätterwald. Alle Publikationen berichteten an herausragender Stelle über ihr Leben und ihre Karriere, schwedische Zeitungen druckten Extrablätter. Einig waren sich alle: Mit ihr starb eine der letzten Diven unserer Zeit.
Am 9. Juli nahm Schweden Abschied von Zarah Leander. Nach ihrem letzten Wunsch sang ihre Freundin Birgit Nilsson Beethovens 'Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre' und 'An die Musik' von Franz Schubert. Ein wolkenloser Sommerhimmel wölbte sich über der Stockholmer Oscars-Kirche, in der Freunde und Besucher Abschied nahmen von Zarah Leander. Weiße Rosen schmückten ihren weißen Sarg.
© Paul Seiler - Archiv Zarah Leander
Eisenacher Strasse 7
10777 Berlin
info@paulberlin.de
Zuletzt geändert von admin (admin) am 02.02.2010 um 05:21
Übersicht | Zarah Leander - 2 >> |