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Andreas Gabalier in München: 22.000 Fans mucksmäuschenstill |
Posted by admin (admin) on 26.07.2014 at 06:41 |
Andreas Gabalier in München: 22.000 Fans mucksmäuschenstill
Brachte 22.000 Besucher am Münchner Königsplatz zum schweigen (Foto: Gerald Lobenwein)
München (12.07.2014, Königsplatz) - Er ist der Überflieger der österreichischen Musikszene: Der selbsternannte "Volksrock'n'Roller" Andreas Gabalier mischte in den vergangenen Jahren Österreich gehörig auf – und die Schweiz und Deutschland gleich mit. Am 12. Juli spielte der stolze Steirer das bisher größte Konzert seiner Karriere während seiner Open-Air-Tour 2014. 22.000 Besucher kamen zum Münchner Königsplatz, um Andreas Gabalier live zu sehen, der es sogar schaffte, dass die gesamte Menge verstummte.
Es ist schwierig, alle Highlights des Konzerts aufzuzählen. Denn die Show des "Volksrock'n'Roller" beginnt mit einem Highlight, auf das ein Highlight nach dem anderen folgt, ja, und – wie sollte es auch anders sein? – es endet auch mit einem Highlight. Um eines gleich vorwegzunehmen: Andreas Gabalier steht knapp drei Stunden lang auf der Bühne.
Vor ihm staunt allerdings ein anderer nicht schlecht: Alex Diehl, der Andreas Gabalier bei seiner Open-Air-Tour 2014 als Support begleitet, kann es kaum fassen, als er auf die Bühne kommt und plötzlich vor diesem Riesenpublikum auf dem schon fast komplett gefüllten Königsplatz steht. Der 25-jährige Singer/Songwriter stellt sein Debütalbum "Ein Leben lang" vor, das am 8. August erscheint.
Mundart, Tracht und Volksrock'n'Roll
Um kurz nach Acht ist es dann so weit: Der King Of Volksrock'n'Roll in Lederhosn betritt alleine mit seinem Akkordeon die Bühne. Die Elvis-Frisur sitzt, ebenso wie die rot-weiße Sonnenbrille. Schwarz-rot-gold leuchtet es auf seinen Wangen. "Servus die Maaadln, und griaß eich die Buuuam", begrüßt er die begeisterte Menge. Dann kommt seine Band mit zwei Backgroundsängerinnen auf die Bühne und es geht los mit einer fünfminütigen Version von Haindlings "Bayern, des samma mir". "Jawoi!", ertönt es ohrenbetäubend aus dem Publikum.
Damit ist das "Hoamat"-bewusste bayerische Publikum – übrigens größtenteils in Tracht – gleich von Anfang an zufriedengestellt und stört sich im weiteren Verlauf nicht im geringsten daran, dass sich Andreas Gabalier im Großen und Ganzen thematisch auf die von ihm über alles geliebte Heimat, die Steiermark, und deren fesche Madln beschränkt. Als die 22.000 Besucher lautstark und textsicher "Jo, jo, des Steirerland, des is' mei Heimatland" mitsingen, muss man sich schon kurz umsehen, um sicherzugehen, dass man nicht von Bergen umgeben ist. Andreas Gabalier haben es vor allem die Münchner Dirnderl angetan.
Madln und Buama oder Männer und Frauen?
In jüngster Zeit ist Andreas Gabalier in die Kritik von FrauenrechtlerInnen geraten, weil seine Texte ein verfälschtes Bild von Mann und Frau widerspiegeln würden. Angeheizt wurde die Diskussion verstärkt, als er bei einem Formel-1-Event die alte Version der österreichischen Bundeshymne sang, in der die Passage "Österreich, die Heimat großer Söhne" vorkommt. Die Töchter ließ er außen vor, obwohl die in der neuen Version berücksichtigt werden. Zuletzt meldete sich auch die österreichische Popsängerin Christina Stürmer zu Wort, die es "nicht ganz OK" fand, dass Gabalier die neue Zeile ausgelassen hat.
Auf der Bühne redet er ganz offen über die Kritik der letzten Wochen. "Aber ihr werd's immer meine Madln bleiben", plärrt er ins Mikro. Was folgt ist ein frenetischer, deutlich weiblicher Stimmen entfahrender Jubel. Es sei schon ein Graus "in dieser Gender-verseuchten Zeit, scheußlich", mehr hat er dazu nicht zu sagen.
Das Konzert nimmt seinen Lauf: Andreas Gabalier röhrt in sein Mikro, das an einem Hirschgeweih befestigt ist, spielt Luftgitarre zum Solo des E-Gitarristen, der irgendwie aussieht wie eine Mischung aus Keith Richards und Steven Tyler, er schwingt die Hüften, drückt der deutschen Nationalmannschaft die Daumen fürs Finale (scheinbar hat's geholfen) und sorgt mit der ein oder anderen Ballade für schnulzige Stimmung auf dem extra für ihn angefertigten Flügel in Naturholzoptik – Volksrock'n'Roll noch und nöcher.
Ein emotionaler Moment
Dann wird es still. Andreas Gabalier erzählt die Geschichte zu dem Song, der schon in der Vox-Serie "Sing meinen Song" für reichlich Tränen sorgte. "Amoi seg ma uns wieda" ist seiner Schwester und seinem Vater gewidmet, die sich beide das Leben genommen haben. 22.000 Zuschauer auf dem Münchner Königsplatz verstummen. Andreas Gabalier bittet das Publikum, in Ruhe dem Lied zu lauschen und danach nicht zu klatschen. Als die letzten Takte des Songs verklungen sind, ist es mucksmäuschenstill. Gänsehaut.
Nach etlichen Mitsing-Hymnen auf die Steiermark und hübsche Frauen in Trachtengewändern – um es politisch korrekt auszudrücken –, nach "Die Beichte" mit als Nonnen verkleideten Backgroundsängerinnen und (männlichen) Tänzern, ebenfalls als Nonnen verkleidet, und nach einem furiosen Party-Finale mit "I sing a Liad für di" lässt sich Andreas Gabalier völlig erschöpft auf die Bühne fallen. Seine Bandkollegen haben schon längst die Bühne verlassen, da liegt der ausgepowerte Volksrock'n'Roller immer noch da, minutenlang, nach Luft ringend – die angekündigte Erfrischung in Form eines Gewitters war ausgeblieben.
Nach einer vier Songs umfassenden Zugabe, nach fast drei Stunden Show, nach Andreas Gabaliers bisher größtem Live-Auftritt ist auch ihm die Überwältigung anzusehen – denn er will schlicht und ergreifend am liebsten die Bühne gar nicht verlassen. Seine um den Bizeps und um den Unterarm und eigentlich gefühlt um den gesamten Körper gebundenen rot-weiß-karierten Stofftaschentücherl sind schon in festen Händen seiner feschen Münchner Madln, sogar seine Sonnenbrille kann er nicht mehr sein Eigen nennen. Da bleibt nur noch der Abschied – und 22.000 Besucher werden in die Münchner Nacht entlassen.
Autor: Michael Nützel
Quelle: Musikmarkt - 15.07.2014
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