CHRIS DE BURGH: Songs from ‘Home’
‘Waiting For The Hurricane’:
Dieser Song wurde Ende der 70er Jahre geschrieben und ging ‘Don’t Pay The Ferryman’ voraus. Ich erinnere mich, dass ich den Rhythmus, die Kraft und das Drama von ‘Waiting For The Hurricane’ während des Komponierens besonders geliebt habe. Ich hatte wahrscheinlich viele unterschiedliche Dinge im Kopf zu der Zeit. Zunächst das erdrückende Gefühl, wie in einem mysteriösen Agatha Christie Roman, in dem zehn Leute auf einer einsamen Insel gefangen sind und keiner weiß, was als nächstes passieren wird – aber alle wissen, dass sie nicht davor fliehen können. Über dieser besagte Insel wütet ein Hurricane und ich beschreibe das in sehr bildlicher Sprache. Wie schon bei ´Spanish Train’ ist das Visualisieren des Films in meinem Kopf durch die Musik schon immer Teil meiner Werke gewesen. In diesem Song sehe ich eine Braut auf Hochzeitsreise und die Band fängt an zu spielen. Wir alle haben schonmal so einen Sturm am Strand erlebt, die Palmen biegen sich, die Leute werden die Strasse runter geweht – und in diesem bestimmten Hotel können die Hochzeitsgäste nicht weg. Wir haben keine Ahnung , wie die Geschichte ausgeht, aber es ist ein sehr dramatisches Stück und wir haben versucht genau das bildlich hervorzuheben, wie in Humphrey Bogarts “Key Largo.”
‘Tender Hands’:
Wahrscheinlich war dieser Titel das Ergebnis eines spontanen Kommentars von der Sekretärin meines Steuerberaters am Telefon. Ich fragte sie, wie sie sich fühle und sie sagte: “Ich fühle mich absolut furchtbar. Ich würde so gerne mal nach Hause kommen und kein Essen kochen müssen. Stattdessen würde meine Mann zu mir sagen `Du siehst kaputt aus, vielleicht brauchst du eine Umarmung, oder eine kleine Schultermassage`...” Es machte mir klar, wie oft es in Beziehungen wichtig ist, sich damit auseinanderzusetzen, wie sich der Partner fühlt und ihn zu umarmen, wenn es nötig ist. Die Berührung einer liebevollen Hand ab und zu, ist etwas, das wir alle mögen. Es ist ein Song über Einsamkeit und den Wunsch nach ein bisschen Liebe und Zuneigung.
‘Where We Will Be Going’:
Dieser Song ist für mich eine außergewöhnliche Zusammenstellung von Zufällen und Bewusstseinströmen, die mich immer schon berührt haben – ein bisschen wie bei James Joyce, dessen Ideenströme nicht unbedingt aufeinander aufbauend sein mussten, aber ein großes Ganzes ergeben haben. Der Text beschreibt, unter anderem, die Fußspuren auf dem Mond, die Ermordung Kennedys und die von John Lennon – Ereignisse, welche für mich das Ende meiner Kindheit darstellen. Dann spreche ich über HAL , den Computer in “2001: A Space Odyssey’” – einer meiner absoluten Lieblingsfilme – und über Bowman, der der Held dieses Filmes ist. In einem anderen Teil dieses Songs beziehe ich mich auf William Butler Yeats Gedicht ‘The Second Coming’, das eine zauberhafte Textzeile hat: ‘And what rough beast, its hour come round at last, slouches towards Bethlehem to be born?’ Es ist ein Up-Tempo Song, ein inspirierender Song über meine Sicherheit zu wissen, wohin alles führen wird - irgendwann.
‘Fire On The Water’:
Der Schlüssel zu diesem Song ist die Zeile ‘We are alone in this crowded room’. Es geht um den den Moment, in dem man durch einen Raum voll von Menschen blickt und die Augen Kontakt mit einer Person aufnehmen – und sofort spürt man die starke Anziehungskraft.
‘It’s Such A Long Way Home’:
Diesen Song habe ich aus tiefstem Herzen geschrieben, das steht fest. Vor vielen Jahren, als ich mein Zuhause verlassen habe und - sogar heute noch – fühle ich mich, als würde ich ständig nur “Auf Wiedersehen” sagen. Es ist Teil meines Jobs, immer wieder mein Zuhause und meine Mitmenschen zu verlassen. Das Ganze ist wie ein Film für mich. Es ist, als sei der Mann in dem Song in einem heruntergekommenen Hotel , vielleicht in Cuba – und hat, wie jeder es schonmal hatte, das Gefühl, aus dem Fenster zu sehen und zu glauben jemanden zu erkennen. Das ist ein Thema, das ich zufälligerweise auch in ‘Fatal Hesitation’ streife. In diesem Fall sehe ich jedenfalls dieses schäbige Hotel, irgendwo außerhalb von Havana, nicht, dass ich da schon einmal gewesen wäre, aber ich kann es mir bildlich vorstellen. Der Mann schaut also aus dem Fenster auf den Marktplatz, wo es drunter und drüber geht. Er glaubt und bildet sich ein, in dem turbulenten Treiben seine Geliebte zu erkennen, die natürlich in Wirklichkeit sehr weit weg ist. Und dann ist da das Bild von ihr, wo sie ihm zum Abschied winkt, als das Flugzeug startet und er sich vorstellt, dass sie nicht ‘Goodbye’ sagt, sondern ‘Please come home.’ Schließlich erscheint eine Band, irgendwo in der Ferne, die einen Song spielt, und ‘With a shock I realise it’s a song we sang together, and it nearly makes me cry.’ Bei diesem Stück begleitet mich nur das Piano. Wir haben darüber nachgedacht noch Streicher hinzuzufügen, aber es war so einzigartig, dass wir es so belassen mussten.
‘Sailor’:
Dieser Song galt viele Jahre lang in weiten Teilen dieser Welt als Favorit. Zum Beispiel im Libanon, wo ich diesen Juli aufgetreten bin, liebten die Leute den Song.
Um bei der Filmthematik zu bleiben, sehen wir hier einen Gefangenen, der durch die Gitter vor seinem Fenster sieht – vielleicht im 18. Jahrhundert, während einem der Kriege Napoleons – und im Mondlicht erblickt er ein Schiff in der Bucht, das nach einem Sturm gerade lossegelt. Er wünscht sich nur, nach Hause kommen zu können. Womöglich wartet seine Geliebte in Schottland: ‘And to hear her voice echo through the hills again.’ Dann versetzt man sich in seine Vorstellungen und Träume hinein, mit dem Schiff zurückzukehren und wieder bei der Geliebten zu sein.
‘Last Night’:
Das ist ein sehr starker Film in meinem Kopf, vielleicht beeinflusst durch ein Gedicht, einer meiner Lieblingsdichter Siegfried Sassoon. Er war ein Dichter aus dem Ersten Weltkrieg, und er wandte sich von allem, was im Krieg passierte, entschieden ab, und wurde als Anti-Kriegs Dichter sehr berühmt, obwohl er ein dienender Offizier war. In einem Gedicht schreibt er über die Jungs, die nach Hause kommen und die Tatsache, dass sich keiner von ihnen verändert haben wird. Aber natürlich wird sich jeder junge Mann, der im Krieg war, verändern – und zwar vollkommen – wegen dem was er gesehen und getan hat. Es ist etwas Furchtbares für einen 19, 20 oder 21-Jährigen Zeuge des Schreckens des Krieges zu werden. Das wichtigste in diesem Song sind nicht die ersten zwei Textzeilen, die den Handlungsort beschrieben – einen kleinen dicken Bürgermeister der ruft ‘Our boys are coming home!’ und sich selbst dabei feiert, während eine Prostituierte mit schwarzem glänzenden Haar unter rotem Licht steht und wartet, bis die Jungs aus dem Krieg zurückkehren. Der Schlüssel zur Bedeutung des Songs ist, wenn man sich vorstellt, auf einen Hügel zu laufen, und da ist eine kleine Kirche und die wurde vom Wind in eine Geistergestalt verwandelt. Es steht hier also ein Soldat auf diesem Berg – für mich fühlt es sich an als seien wir in Spanien, während des Bürgerkriegs – mit einer Frau, die schwarz trägt, offensichtlich die Witwe einer seiner Freunde. Sie schaut sich das Foto ihres toten Mannes an, der nie zurückkehren wird. Es geht um all die Wirklichkeiten des Krieges und wie es die Leute verändert, es geht nicht um die Glocken und Gesänge, die Erfolge und den Ruhm.
‘I’m Not Scared Anymore’:
Dieser Song hat mich interessiert, wegen dem Sound der Basspfeife, wie sie in keltischer Musik zu hören ist: ‘When I’m lying in the arms of the woman I love, I’m completely at peace with the world...’ Es geht um die individuellen Dinge, die für Menschen innerhalb einer Beziehung wichtig sind. Und dann sieht man seine Kinder an und weiß, dass man, sollte irgendeine Gefahr drohen, bis zum letzten Tropfen Blut kämpfen würde um sie zu beschützen. Natürlich kennt jeder, der selbst Kinder hat, das Gefühl. Es ist ein Song über die Kraft und Energie und ein bisschen Wut, wenn es doch gefährlich werden sollte. Und dann gibt es eben noch die andere Seite dessen, das Gefühl, keine Angst zu haben.
‘Forevermore’:
Der Song beschreibt wie ein Mann morgens aufwacht und diesen schrecklichen Traum hatte, dass seine große Liebe verstorben ist. Er ist davon sehr erschüttert und denkt über all die Dinge nach, die er ihr vorher hätte sagen wollen, aber nie gesagt hat. Ich denke, diese Thematik trifft auf jeden von uns auf viele unterschiedliche Weisen zu. Man sollte sagen, was man fühlt. Der Song handelt von einem Mann, der sich öffnet: ‘You are my lover, you are my friend’. Es ist eine Nachricht von Mann zu Frau die direkt vom Herzen kommt, und die er viel früher hätte überbringen sollen. Das Paar geht am Abend aus und er ist stolz darauf, wie die Leute ihn ansehen und wie schön seine Geliebte neben ihm aussieht.
‘Love And Time’:
Ich habe das in den späten Neunziger Jahren geschrieben, beobachtend, wie die Dinge sich, besonders in Irland, entwickelten. Wir nannten es die keltischen “Tigerjahre” und die Leute waren von Geld und Reichtümern besessen. Nur arbeiten, arbeiten, arbeiten um immer noch mehr Geld zu machen – und dann starben sie. Ihre Beziehungen wurden schlechter und gingen zu Bruch. In diesem Song geht es um eine Frau, die Zuhause sitzt als ihr Mann anruft um zu sagen ‘Oh, ich werde heute wieder länger arbeiten müssen, aber wir verdienen so viel Geld, uns steht eine tolle Zeit bevor’ und sie denkt sich ‘Naja, und wann ist endlich diese tolle Zeit?’ Was sie wirklich will, ist nicht Geld, sie will Liebe und Zuneigung, Zeit und jemanden, der bei ihr ist. Da ist ein bestimmter Punkt, wo es einem reicht – ich denke das kennt jeder. Im zweiten Teil des Songs , was noch ergreifender ist, gehen sie aus zum Essen: Tisch für Zwei, romantisches Restaurant, Kerzenschein und eine Flasche Champagner – und er erzählt davon, wie gut alles läuft und wie viel Spaß sie in der Zukunft haben werden. Dann bekommt er einen geschäftlichen Anruf und verlässt den Tisch. Sie ist allein, völlig am Boden zerstört und sie merkt, dass es so nicht weitergehen kann. Eines Tages wird er aufwachen und merken, dass sie weg ist. Ich bin sicher, dass das in vielen Beziehungen passiert, dass der Mann einfach nicht stillhalten kann, für einen Moment, um zu bemerken, dass er viel mehr Zeit mit seiner Frau verbringen sollte.
‘Goodnight’:
Das ist der letzte Track auf meinem ersten Album ‘Far Beyond These Castle Walls’ welchen ich mir immer besonders intensiv angehört habe; das erste eigene Album in der Hand zu halten ist einfach so aufregend. Dieser spezielle Song hat alle Zeiten überstanden. Eigentlich hoffe ich, dass man das von allen Songs auf dem Album sagen kann, weil sie etwas einzigartiges ausdrücken. Ich wollte ‘Goodnight’ möglichst nah am Original – aber die Leute werden hören, dass sich meine Stimme von Grund auf verändert hat. Die Lyrics beziehen sich alle auf die Songs meines Debut Albums und ich fand das war ein schöner Abschluss für ‘Home’.
CHRIS DE BURGH – Interview zu ‘Home’
Chris de Burgh hat für sein aktuelles Album nun sein gigantisches Repertoire der Vergangenheit neu entdeckt, neu erfunden und neu aufgenommen. Im folgenden exklusiven Interview beschreibt er, wie es ist, musikalisch nach Hause zu kommen:
Das neue Album mag aus drei bestimmten Gründen als Aufbruch gedeutet werden. Erstens, weil du es – betrachtet man den Titel – zu Hause in deinem eigenen Studio aufgenommen hast. Warum hast du dich dafür entschieden? Und wie schwer fällt es dir, die Arbeit und dein Zuhause zu trennen?
Als wir für meine letzte Tour „ Moonfleet & Other Stories“ probten, entschied ich, dass die Proben in meinem Studio zu Hause stattfinden sollten. Ich fand es entspannend, in einer Pause direkt in meiner heimatlichen Umgebung zu sein und so entschieden wir auch „Home“ dort aufzunehmen.
Zweitens ist „Home“ ein akustisches Album, ein Unplugged Album – warum hast du dich dieses Mal dafür entschieden?
„Home“ ist ein Projekt, das ich schon seit geraumer Zeit machen möchte. Als ich auf meine Karriere zurücksah, entdeckte ich einige Songs, die sich sehr persönlich anfühlten und die ich im Nachhinein gerne auf eine andere Weise gemacht hätte. Es war eine großartige Möglichkeit, diese Songs auf das zu reduzieren, was sie im Original waren, und auf sie zurückzublicken, wozu man nur sehr selten kommt. Mein letztes Studioprojekt „Moonfleet & Other Stories“ waren so intensive 18 Monate, mit dem Schreiben und Einspielen der Geschichte – dazu kamen die vielen Musiker, die in das Projekt involviert waren, dass ich mich wirklich danach gesehnt habe, das nächste Album auf eine einfachere Art zu produzieren.
Drittens beinhaltet „Home“ Neuaufnahmen bereits von dir veröffentlichter Songs. Was hat dich auf diese Idee gebracht und wie hast du die Songs für das Album ausgewählt?
Bei all diesen Songs hatte ich das Gefühl, sie könnten durch eine intimere Art der Aufnahme profitieren und das Kriterium für diese Intimität war, dass jedes Instrument akustisch sein musste und die Arrangements so natürlich wie möglich.
Wann wurde das Album aufgenommen, und wie lange hat es gedauert – inklusive der Auswahl der Songs?
Die Auswahl der Songs zog sich über einige Monate hin. Wie man sich vorstellen kann, habe ich über die Jahre so viele Songs produziert, dass es eine Weile gedauert hat, sich mit jedem Song einzeln auseinanderzusetzen und mit den Umständen, in denen er ursprünglich geschrieben wurde.
Wer hat das Album produziert und wer ist darauf zu hören?
Ich habe das Album gemeinsam mit Chris Porter produziert. Die Musiker sind meine Band plus Phil Palmer, der die Gitarre auf allen meinen Alben seit „The Gateway“ gespielt hat.
Findest du, dass das akustische Einspielen der Songs und die Reduktion auf ihre Ursprünge, den Songs eine neue Dimension gegeben hat?
Der einzige Grund, warum ich das gemacht habe, ist den Songs eine neue Dimension zu geben. Ich hoffe, es gibt den Hörern mehr Einblick in die Texte und die Tiefe ihrer Bedeutung.
Du schreibst deine Songs und arbeitest zunächst mit einer akustischen Gitarre oder dem Klavier an ihnen. In dem Fall kann man die Aufnahmen von „Home“ sowohl als „Back to Basic “ als auch als „Back to the Roots “ bezeichnen.
Als das Material dann ausgewählt war, musste ich im Kopf behalten, dass ich dazu fähig sein musste, die Titel ganz alleine zu performen. Ich habe während der Jahre viele Solo-Touren gemacht und es ist was ganz anderes die Songs mit einer Band auf die Bühne zu bringen. Ich habe viele Stunden damit verbracht, die Tracks zu spielen, bevor die anderen Musiker mit einbezogen wurden. Dabei habe ich ganz genau herausgefunden, in welche Richtung jeder einzelne Titel gehen sollte.
Deine Songauswahl erstreckt sich auf fast drei Jahrzehnte musikalischer Arbeit – von deinem Debut-Album „Far Beyond These Castle Walls“ (1975), bis hin zu „Timing Is Everything“ (2002) – aber deine größten kommerziellen Erfolge und bekanntesten Songs sind nicht auf dem Album zu finden – wie ist das begründet?
„Home“ sollte nie ein „Greatest Hits“ Album werden, es ist eine sehr persönliche Retrospektive meiner musikalischen Karriere. Deshalb habe ich einige große Hits weggelassen, um mich mehr auf die Songs zu konzentrieren, die einigen meiner Fans bisher vielleicht verborgen geblieben waren.
Anders als die Konzepte der beiden Footsteps Alben, die auf der Songauswahl basierten, ist „Home“ eher eine Wiederbegegnung mit Songs, die nun Zuhause neu aufgenommen wurden. Oder vielmehr ein Durchforsten der bisherigen Werke. Planst du, so etwas noch einmal zu machen?
Ich habe die Aufnahmen von „Home“ sehr genossen, besonders die intimere Atmosphäre, wenn man immer nur mit ein oder zwei Musikern und dem Produzenten gleichzeitig arbeitet. Es ist sicherlich etwas, auf das ich in der Zukunft zurückblicken werde. Inzwischen bin ich mit der Arbeit zu meinem nächsten Studioalbum beschäftigt, mit neuem Material, das Ende nächsten Jahres veröffentlicht werden soll. Es gibt im Moment noch keinen Titel für das Album, aber ich werde es auch wieder teilweise in meinem Studio in Irland aufnehmen. Es wird eine viel größere Produktion werden, aber ich liebe den Gedanken, zu singen, während ich aus meinem eigenen Fenster sehe und in den Pausen Zeit mit meiner Familie verbringe. Wenn ich das genauso genießen kann, wie jetzt bei der Arbeit zu „Home“, ist das sicherlich etwas, das ich in der Zukunft öfter machen werde.