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Christina Stürmer: "Das ist total faszinierend, was sich in einem Jahr tut."

Posted by admin (admin) on 07.10.2010 at 21:49
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Christina Stürmer: "Das ist total faszinierend, was sich in einem Jahr tut." 

 

 

Christina Stürmer sprach im "Musikmarkt"-Interview über das aktuelle Album "Nauaufnahme", Zukunftspläne sowie ihre Anfänge (Foto: Universal Music) 
 

 

 

 

 

"Nahaufnahme" ist der aktuelle Longplayer der Oberösterreicherin (Foto: Universal Music)

 

 


2003 nahm Christina Stürmer an der ORF-Casting-Show "Starmania" teil und ging schließlich als Zweitplatzierte hervor. Ein Karriere-Ende war allerdings nicht in Sicht. 2003 stürmte die Pop-Rock-Sängerin mit "Ich lebe" die österreichischen Charts. Zwei Jahre später eroberte sie mit dieser Single sowie dem dazugehörigen Album "Lebe lauter" (Polygram/Universal Music) auch Deutschland. Es folgten Hits wie "Engel fliegen einsam" und "Mama (Ana Ahabak)". Die Single "Nie genug" ist seit 2006 sogar der Titel-Trailer der RTL-Soap "Alles was zählt". Im September erscheint nun das neue Studioalbum "Nahaufnahme" der jungen Oberösterreicherin. Über das Album, die bevorstehende Tour sowie die heutige Sicht auf Casting-Shows sprach Christina Stürmer mit dem "Musikmarkt".


Am 3. September erschien die Single „Wir leben den Moment“ und am 24. September wird das neue Album „Nahaufnahme“ veröffentlicht. Spielen bei dir die Endorphine verrückt?
Ja, schon langsam. Die Single „Wir leben den Moment“ läuft ja bereits im Radio. Seit dem 30. August gibt es die Single, den B-Track und noch einen dritten Song digital zu kaufen. Da war ich schon extrem nervös. Bei der physischen Veröffentlichung ist das natürlich noch aufregender. Ich glaube, dass es das Schlimmste und gleichzeitig das Schönste ist, wenn das Album herauskommt.


„Die Endorphine spielen verrückt“ ist ein Zitat aus „Wir leben den Moment“, den ihr nun bei der TV-Soap „Alles was zählt“ performt habt. Wie war es denn für dich vor der Kamera zu stehen und bei der 1000. Sendung mit dabei zu sein?
Wir haben zwei Tage gedreht und das war sehr, sehr spannend. Die Schauspielerei ist aber eindeutig nichts für mich. Ich hätte die Geduld nicht. Das ist mit so viel Warten verbunden. Die Schauspieler bewundere ich dafür wirklich. Ein Glück für uns war, dass wir uns selbst gespielt und zwei Songs vom neuen Album präsentiert haben.


War das ein großer Unterschied im Vergleich zu einem Video-Clip-Dreh?
Der Unterschied ist, dass wir bei „Alles was zählt“ den zweiten Song mit Darstellern gedreht haben. Wir haben die Nummer gespielt und normalerweise steht vor uns eine Kamera, der Regisseur und der Kameramann mit seinem Assistenten. Aber da wurde eine ganze Szenerie gefilmt. Da merkte ich, wie die Schauspieler sich verändern, sobald es heißt „Action“. Dann sind sie komplett in ihrer Rolle drin. Das war echt skurril, aber auf alle Fälle eine tolle Erfahrung.


Vor der Kamera standest du auch vor Jahren in der Sendung „Starmania“. Momentan ist ja Hochsaison der Casting-Shows. Mit welchen Augen siehst du diese Sendungen heute?
Ich bin froh, dass ich mitgemacht habe, weil ich sonst heute nicht hier sitzen würde. Ich bin aber auch froh, dass ich bei der ersten Staffel mit dabei war. Ich bin hingegangen, weil ich Spaß am Singen hatte. Ich habe aber nicht gedacht: Ich werde jetzt groß, reich und berühmt, und gehe auf Welttournee. Die Kids heute glauben, dass sie dahin kommen und sofort Stars und Sternchen sind. Und das ist oft nicht der Fall. Bei der ersten Staffel hat man keine Vergleichswerte gehabt. Da hat keiner gewusst, was nach uns passiert. Ich wusste nicht, ob ich eine Single oder ein Album aufnehme. Ich weiß nicht, ob ich heute jemandem dazu raten kann, bei einer Casting-Show mitzumachen. Es gibt so wenige, bei denen es funktioniert. Jetzt ist es schon fast eine Maschinerie. Da kommt eine Show nach der anderen. Wenn man da mitmacht, muss einem auch klar sein, wie das dort abläuft: Es ist eine Unterhaltungssendung und der Fernsehsender schaut auf seine Quoten – und danach werden die Kandidaten auch ausgewählt: Man braucht einen Macho, eine schöne Blondine, eine Tussi, ein Mauerblümchen und so weiter.


Um auf das aktuelle Album zurück zu kommen: Die neue CD wirkt reifer, ausgewogener und du hast viel mehr Gefühl in der Stimme. Gab es da ein Motto?
Das ist total faszinierend, was sich in einem Jahr tut. Meine Stimme auf dem Album klingt deutlich anders. Die Stimme verändert sich im Laufe der Zeit genauso wie die Haut, die immer reifer wird. Wir haben bei dem Album mit Olaf Opal aber auch einen neuen Produzenten – und der Produzent macht richtig viel aus. Der kommt mit neuen Ideen und kitzelt aus uns neue Sachen heraus, die bis dato einfach irgendwo in uns geschlummert haben. Wir haben die letzten drei oder vier Alben mit Thorsten Brötzmann in den Gaga Studios in Hamburg aufgenommen. Es war super, doch irgendwann kommt der Trott rein. Genauso ist das mit dem Produzenten. Wir haben klasse zusammengearbeitet, aber irgendwann ist die Luft raus. Wir haben ja auch jedes Jahr ein Album rausgebracht. Somit waren wir ständig gefordert. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen einen neuen Produzenten und ich finde, das hört man total. Es sind Sachen dabei, die wir früher nie ausprobiert hätten.


Habt ihr denn mit anderem Equipment aufgenommen?
Was die Stimme angeht, ist das total lustig. Wir haben genau das gleiche Mikrofon verwendet wie im letzten halben Jahr. Das ist spannend, wie man eine Stimme, trotz des gleichen Mikrofons, anders einbauen kann. Erst haben wir die Basics eingespielt und dann abwechselnd Gitarren und Stimme. Nach meiner Stimme wurde dann der Rest aufgenommen, wie ein Xylophon mit Bogen, Streicher und Synthie. Das ist alles im Nachhinein gekommen – was ich gut finde, weil es einfach der Stimme mehr Raum gibt. Ich finde es wirklich gut gelungen und da hat Olaf bestimmt viel dazu beigetragen. Es hat auch richtig viel Spaß mit ihm gemacht.


Wie kann man sich die Produktion des Albums vorstellen?
Wenn das aktuelle Album rauskommt, dann denkt man schon wieder ein bisschen ans Nächste. Im November 2009 haben wir aktiv angefangen, am Album zu arbeiten. Zunächst haben wir uns mit unseren zehn Songwritern getroffen. Das sind Leute, wie zum Beispiel Jonathan Walter, die seit fünf Jahren für uns schreiben. Es sind aber auch neue Songschreiber dabei gewesen. Mit denen haben wir uns im November getroffen, um uns kennenzulernen. Wir haben über Gott und die Welt geredet, damit sie merken wie ich ticke, was ich für eine Meinung habe und was ich für ein Mensch bin. Dann fing das Songwriting an und danach hat man sich wieder getroffen, so dass man gleich einlenken und sagen konnte, ob es einem gefällt oder nicht. Man singt auch bei der ersten Idee Sachen ein, um zu schauen, ob es auch stimmlich passt. Die Jungs haben beispielsweise im Dezember Songs geschrieben und eingesungen, die mega waren. Ich habe gedacht, dass sie unbedingt aufs Album müssen. Bei mir klang das aber wie Möchtegern-Heavy-Metal. Das hat mit Männerstimme so rund geklungen und mit einer Frauenstimme hat mir das gar nicht mehr gefallen.


Ihr habt also von Anfang an Ideen mit eingebracht und mit eingelenkt?
Ja, ich hab meine Finger überall mit im Spiel gehabt. Ich habe aber keine Songs komplett selbst geschrieben. Ich muss auch gestehen, dass ich mir gerne helfen lasse. Ich bin einfach zu selbstkritisch. Die anderen Jungs schreiben in kürzester Zeit. Sie schneidern die Songs direkt auf mich zu, bringen das so auf den Punkt, als wenn ich es geschrieben hätte.


Musikalisch haben die Songs einen gewaltigen Ohrwurmcharakter und sind stilistisch vielfältig – von Balladen wie „Warum“ bis zu rockigen Up-Tempo-Nummern wie „Juniherz“.
Für mich ist wichtig, dass es abwechslungsreich wird. Wenn es nur balladig klingt, dann schränkt mich das ein, da ich das Album nur in einer bestimmten Stimmung hören kann.


Gibt es denn für dich einen Lieblingssong auf dem neuen Album?
Das ist schwierig. Ich finde „Warum“ sehr schön, weil es ein positiver Liebessong ist. Ich finde, dass es auf Deutsch schwierig ist, ein Liebeslied zu finden, das positiv, aber nicht kitschig und platt ist. Das hat Jonathan Walter, der ihn geschrieben hat, megamäßig gemacht. Der Song hat zwar eine kleine Brise Kitsch, platt ist er aber nicht.


Gab es dieses Mal die Überlegung, auch mal auf Englisch zu singen? Oder vielleicht im Dialekt?
Über Englisch habe ich gar nicht nachgedacht, weil ich früher in meiner alten Coverband nur Englisch gesungen habe. Somit war das für mich einfach abgehakt. Sag aber niemals nie. Bevor ich ein englischsprachiges Album aufnehme, würde ich unbedingt für ein Jahr nach England oder die USA reisen. Es gibt nichts Peinlicheres als einen Englisch singenden Deutschen oder Österreicher, dessen Aussprache nicht stimmt. Dialekt kann ich mir vorstellen, aber eher als ein Side-Projekt. Das würde aber wahrscheinlich nur in Österreich funktionieren.


Im Dezember startet eure Club-Tour. Du hast mal gesagt, dass dir kleinere Gigs eher zusagen. Worauf freust du dich am meisten?
Im Vergleich zu großen Sommerfestivals ist eine Hallen-Tour überschaubar. Ich würde gerne ein Konzert spielen, das sich wie ein riesengroßes Wohnzimmerkonzert anfühlt. Ich mag den typischen Aufbau nicht: Bühnenkante, dann noch ein drei Meter breiter Pressegraben – der bei den ersten drei Nummern gefüllt ist und danach aber leer – die Security mit den Polizeigittern und dann erst die Fans. Es soll ein Miteinander sein, so dass man nah dran ist – und auf das freu ich mich!


Am 14. Dezember spielt ihr in Linz. Ist das eine Art Heimspiel für dich?
Ich weiß gar nicht. Man glaubt immer, dass es in dem Ort, in dem man aufgewachsen ist, auch ein Heimspiel gibt. Ich finde aber, dass es in Oberösterreich immer etwas schwierig war, weil das Publikum vielleicht einfach mehr erwartet. Ich kann auch nicht sagen, dass ein Konzert in Deutschland oder Österreich Unterschiede macht. Bei Linz hatte ich nie das Gefühl, dass es einfacher wäre. Eher das Gegenteil – lustigerweise.


Die Tour veranstaltet nun nicht mehr Live Act Music, sondern A.S.S. Concert & Promotion. Kannst du zu dem Wechsel etwas sagen?
Wir haben letztes Jahr relativ wenig gespielt und es wollte nicht mehr so rund laufen. Deshalb haben wir uns mal schlau gemacht, wen es noch so in der Branche gibt und wer zu uns passen würde. Schließlich sind wir dann bei A.S.S. gelandet und haben uns mit den beiden Geschäftsführern Dieter Schubert und Michael Bisping getroffen und direkt verstanden. Trotz Geschäft muss es ja auch menschlich passen.


War das auch der Grund, warum du auch das Management gewechselt hast?
Ja. Die letzten ein, zwei Jahre liefen nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Man sucht dann nach dem Grund und muss auch Entscheidungen treffen. Die Entscheidung war dann der Wechsel zu meinem neuen Manager Thorsten Kirmes und später zu A.S.S..


Du postest fleißig auf Facebook und auf deiner Homepage. Wie wichtig sind dir solche Communities?
Homepage-Betreuung mit Fotos und Video-Schnitt machen Oliver und ich. Facebook und MySpace machen wir auch selbst. Zu anderen Plattformen wie Twitter komme ich nicht. Das wird mir alles zuviel. Ich finde es für Bands super, weil sie sich da präsentieren können. Privatpersonen gehen aber manchmal ein paar Schritte zu weit. Da würde ich persönlich nicht zu viel Preis geben. Es muss einem klar sein, dass man das nicht nur selber liest beziehungsweise die Freunde informiert, sondern quasi die ganze Welt.


Wo siehst du dich in den nächsten Jahren?
Ich wünsche mir, dass ich Musik in dem Maße wie jetzt noch lange machen kann und dass alle um mich herum glücklich sind – auch wenn das jetzt ein bisschen kitschig klingt.

 


Autor: Ivana Dragila
Quelle: Musikmarkt -  27.09.2010

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