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Gitte Haenning im Interview mit MUSIKMARKT: "Ich schiele immer nach der Sonne" |
Posted by admin (admin) on 14.11.2010 at 10:22 |
Gitte Haenning im Interview mit MUSIKMARKT: "Ich schiele immer nach der Sonne"
Gitte Haenning schielt immer nach der Sonng: "Ich finde es spannend immer wieder neue Entdeckungen zu machen." (Foto: Jim Rakete)
"Was ihr wollt" enthält acht alte Hits für die Jetztzeit. Vier neue Songs sind für die Zukunft (Foto: Jim Rakete)
Mit "Was ihr wollt"(Polydor / Universal Music) ist Gitte Haenning wieder zurück: Ironisch, entspannt und melancholisch gibt sich die Sängerin auf ihrem am 19. November erscheinenden Longplayer. Acht alte Hits für die Jetztzeit. Vier neue Songs für die Zukunft.
1958 starteten Sie Ihre Karriere in Deutschland. „Ich will nen Cowboy als Mann“ landete 1963 in den Charts. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Das waren ganz andere Zeiten. Ich hatte schon ein paar Mal wenig erfolgreich Deutsch gesungen. Ich war ja schon ein Star in Dänemark. Für mich war das nicht so wichtig, aber für meinen Vater. Der konnte nämlich seine Lieder in Deutschland platzieren. Ich habe das Lied aufgenommen, habe die "Deutschen Schlager-Festspiele" in Baden-Baden gewonnen und konnte es selbst nicht verstehen. Und ich durfte auf den Knien von Marlene Dietrich sitzen.
Das waren ganz andere Zeiten. Ich hatte schon ein paar Mal wenig erfolgreich Deutsch gesungen. Ich war ja schon ein Star in Dänemark. Für mich war das nicht so wichtig, aber für meinen Vater. Der konnte nämlich seine Lieder in Deutschland platzieren. Ich habe das Lied aufgenommen, habe die "Deutschen Schlager-Festspiele" in Baden-Baden gewonnen und konnte es selbst nicht verstehen. Und ich durfte auf den Knien von Marlene Dietrich sitzen.
Erzählen Sie uns mehr darüber.
Wir gingen nach dem Wettbewerb rüber ins Casino in Baden-Baden. Marlene hat die Journalisten unterhalten, saß auf einem Gold-Stuhl und sagte zu mir: „Come on, Gitte, sit here.“ So saß ich auf den berühmten Beinen von Marlene Dietrich.
Haben Sie denn zu den damaligen Kollegen und Künstlern noch Kontakt? Nein, den habe ich aber auch nie gehabt. Mit Nana Mouskouri habe ich mich gut verstanden.
„Ich will nen Cowboy als Mann“ wurde neben weiteren sieben alten Songs für „Was ihr wollt“ neu aufgenommen...
Das habe ich nie für möglich gehalten. Ich dachte, es wäre ein Wunder, wenn das funktionieren würde. Das Resultat ist aber nun sehr gut. Für mich ist das eine Überraschung, wie die Produzenten das geschafft haben. Es war der Wunsch von Universal Music, acht Hits zu machen und vier neue Songs aufzunehmen. Die vier neuen sind die Zukunft.
Hat Universal Music auch die neuen Songs ausgewählt?
Bei denen habe ich mitgearbeitet. Das war ganz wichtig für mich.
Wie ging das voran?
Erstmal habe ich für die textlichen Inhalte gesorgt. Zum Song „Salz in der Luft“ habe ich eine Geschichte geschrieben. Dann haben wir es weiter entwickelt.
Was sagt der Song aus?
Es geht darum, dass ich unbedingt das Wasser – die Nordsee – haben muss und dass ich auf Reisen bin. Das bin ich alles!
Der Titel Ihrer CD heißt „Was ihr wollt“. Was steckt dahinter?
Kurze Zeit vor der Aufnahme-Session habe ich Shakespeares „Was ihr wollt“ auf der Bühne gespielt. Somit lag der Arbeitstitel „Was ihr wollt“ auf der Hand. Ich habe die Produzenten Roland Spremberg und Christian Lohr gefragt: Was wollt ihr?
Haben Sie an den neuen Arrangements mitgearbeitet?
Ich habe die Distanz nicht. Ich kann das nicht hören und sehen. Die Produzenten müssen in der Lage sein, Arrangements zu machen, die dem Lied Pfiff geben. Und wie wir hören können, ist das der Fall. Ich habe nur eins gesagt: Es muss sexy sein und es muss Humor haben.
Sind zuerst die neuen Songs entstanden?
Ja, zuerst habe ich mit Christian Lohr zusammengearbeitet und dann mit Michael Schöbel, der für die alten Songs zuständig war.
Der Sound des Albums ist transparent und harmonisch.
Der Plan, auf Tournee zu gehen und den alten Songs ein neues Gesicht zu geben.
Eine Prise 60's Motown-Sound ist mit drin.
Ja, genau und etwas britischen Rock'n'Roll.
Was war am soannendsten an der Produktion des Albums?
Ich war vor allem auf „Freu dich bloß nicht zu früh“ gespannt. Aber auch das ist toll geworden. Und der „Cowboy“ ist so lustig! „Ich will alles“ habe ich versucht jazzig zu machen – auch das ist den Arrangeuren gelungen. Großes Glück für mich – kann man nicht anders sagen.
Jim Rakete hat ja die Fotos zum Cover gemacht. Warum er?
Jim Rakete war schon seit Jahren im Gespräch. Aber ich dachte früher: Jim ist eher typisch für Mode und für Berlin beziehungsweise die deutschen Persönlichkeiten. Ich wollte nie dazugehören. Ich habe mich dann aber überreden lassen – und Jim war wirklich gut.
Das Cover ist ja sehr poetisch gestaltet. Was steckt dahinter?
Das bin ich! Ich bin an dem ganzen Schuld – und Shakespeare.
Shakespeare hat sie auch auf der Bühne inspiriert...
Ja, ich war aber nicht so oft auf der Bühne. Als ich noch jung war, habe ich mit tollen Schauspielern in einer schwedischen TV-Serie gespielt. Da waren die Schauspiel-Kollegen "Größen" wie Klaus Maria Brandauer. Ich habe auch Musicals, Off-Musicals oder Filme gemacht.
Hat sie die Schauspielerei im Hinblick auf Ihre musikalische Karriere beflügelt?
Ja sicher! Ohne kann ich gar nicht. Ich singe eigentlich nie. Ich bin keine typische Sängerin.
Die Inspiration liegt also im Schauspiel?
Ja, und im Jazz. Aber mich drängt es nicht nach vorne, um zu singen.
Und die Liebe zum Jazz?
Die war immer da. Wir gingen ja früher oft ins Ballett. Meine Schwester war immer sehr extrovertiert, war in ihrem Ballett-Kostüm und hat immer toll und fein gesungen. Ich wollte hingegen immer Rhythmus spüren, habe immer auf dem Boden gestampft – das hat auch etwas mit Jazz zu tun. Wir haben auch einen ganz begabten Klavierlehrer gehabt, der uns dann aufgegeben hat. Meine Schwester war immer so fleißig und hat so gut gespielt. Ich hab nie geübt und habe immer das gespielt, was ich geträumt habe.
Spielen Sie denn heute noch?
Nein, ich spiele auch kein Instrument, weil ich immer von meinem Vater fantastisch begleitet wurde. Später hatte ich immer Top-Musiker um mich. Wenn man mit solchen zusammenarbeitet, dann rührt man auch kein Instrument mehr an.
Welche Jazz-Musiker haben Sie denn am meisten inspiriert?
Da gibt es viele: Count Basie zum Beispiel. Ich liebe nämlich den BigBand-Sound. Ray Charles liebe ich. Joe Williams fand ich toll, Tony Bennett als Sänger, Ella Fitzgerald als Sängerin, Anita O'Day, Lena Horne, Odetta als Blues-Gospel-Sängerin, Aretha Franklin und Mahalia Jackson.
Soul spielt also auch eine große Rolle?
Natürlich. Sam Cooke fand ich toll und „Mr. Sex Machine“ James Brown. Aber auch sophisticated Jazz-Musiker sind inspirierend.
Was ist denn ihr persönliches Erfolgskonzept?
Immer wieder den Mut zu haben aufzuhören. Keine Angst zu haben in Vergessenheit zu geraten.
Wenn man sich dann 50 Jahre Musikindustrie vor Augen führt. Was war Ihrer Meinung nach die prägendste Entwicklung?
Ich war nie ein ABBA-Fan. Ich war nie ein Elvis Presley Fan. Bei mir ging es immer mehr Richtung Jazz, Soul und Blues. Allerdings mochte ich die Beatles sehr gerne. Die waren immer sehr frisch, wurden aber nicht von meinen Musikern respektiert, die alle mit Jazz zu tun hatten. Da waren es vielmehr die Rolling Stones. Die Stones haben aber nie klare Melodien geschrieben. Die Beatles hatten hingegen sehr originelle Melodien. Davon leben die großen Hits im Grunde genommen. Ich stehe absolut nicht auf Andrew Lloyd Webber und trotzdem habe ich die Platte „Bleib noch bis zum Sonntag“ gemacht. Er hat in der Tat Melodien geschrieben, aber wenn wir das in Deutschland produziert haben, sagte ich: Bitte nicht nach England gucken, sondern eher nach Amerika. Heute bin ich auch sehr positiv überrascht über Diane Krall. Beim ersten Album fand ich sie langweilig, aber dann habe ich sie beim Konzert live gesehen und ihre Intensität, Einsatzvermögen und Rhythmus zu dieser Zeit war schon gesetzt. Das ist sehr wichtig für die Musik. Sie hat sich weiterentwickelt und sie hat sich all die Guten angehört – das hört man, wenn sie singt!
Seit Jahren steckt die Musikindustrie in der Krise. Wie gehen Sie damit um?
Es ist die schlimmste Krise! Es ist sicher eine Drohung für die großen Firmen, die produzieren sollen. Deshalb finde ich es so toll, dass Universal Music Lust hat, mich zu finanzieren. Die zwei letzten Produktionen habe ich selber finanziert – „Johansson“ und „Jazz“ – und ich war sehr stolz drauf.
Sie haben ja auch als Teenie-Star begonnen. Denken Sie, dass es für die heutzutage schwieriger ist zu etablieren?
Überhaupt nicht. Einer von meinen Gitarristen hat eine Firma in Berlin gegründet, bei der man Aufnahmen machen und sich dann im Internet vermitteln lassen kann. Das tun viele! Es gibt immer Wege!
Oft wird bemängelt, dass man heute nicht so lange auf dem Markt bestehen kann.
Da müssen sie selber sehen, warum sie nicht bestehen. Das hat wiederum mit Inhalt zu tun, mit Tiefe und mit Humor. Das ist alles Shakespeare: The stage is a world, and the world is a stage.
Was war der schönste Punkt in Ihrer Karriere?
Ich lebe so intensiv, dass ich immer nach vorne schaue. Ich finde es spannend immer wieder neue Entdeckungen zu machen. Insofern kann ich nicht sagen, was das Schönste war. Ich bin schon romantisch, aber nicht sentimental. Ich bin sehr melancholisch und das genieße ich auch, aber ich schiele immer nach der Sonne.
Autor: Ivana Dragila
Quelle: Musikmarkt - 08.11.2010