OSN Interviews
Howard Carpendale im Interview mit "musikmarkt" : "Ich habe die Definition von Schlager nie verstanden" |
Posted by admin (admin) on 05.03.2015 at 03:50 |
Howard Carpendale im Interview mit "musikmarkt": "Ich habe die Definition von Schlager nie verstanden"
Veröffentlicht am 6. März sein 35. Studioalbum "Das ist unsere Zeit": Howard Carpendale (Foto: Universal Music)
Howard Carpendale veröffentlicht am 6. März sein neues Album "Das ist unsere Zeit" (Electrola/Universal), sein insgesamt 35. Studiowerk. Ab Oktober geht der Sänger auf Tour 2015/2016 durch Deutschland und Österreich, vorher ist er erstmals Teil der "Großen Schlagerstarparaden". Im Interview mit "musikmarkt" spricht Howard Carpendale über das Thema Zeit, die Zweisprachigkeit und das Genre Schlager.
Wenn man Leute auf der Straße nach Musik von Howard Carpendale fragt, werden vermutlich Titel wie "Ti amo" oder "Hello Again" genannt, weniger wahrscheinlich ist, dass sie "Hurra, Hurra, der Pumuckl ist da" sagen. Wie kam es, dass Sie an der Titelmelodie beteiligt waren?
Howard Carpendale: Das ist gar keine große Geschichte. J. Horn und ich waren damals mitunter die erfolgreichsten Komponisten in Deutschland und man hat uns gefragt, ob wir diese Nummer schreiben. 10 Minuten später war es fertig. (lacht)
Klingt wirklich nach keiner großen Sache.
Howard Carpendale: War es auch nicht. Aber um auf den ersten Teil der Frage zurückzukommen: Das ist übrigens nur in Deutschland so. Wenn man in England jemanden nach Phil Collins fragt, wird er einen seiner letzten Titel nennen. In Deutschland gehen die Leute aber 30 Jahre zurück. Ich hatte in den letzten sieben Jahren Gold- und Platinalben, und doch ist es wahnsinnig schwer, "Hello Again" zur Ruhe zu bringen.
Auf dem neuen Album "Das ist unsere Zeit" ist der Song in einer Clubversion enthalten, ebenso "Samstag Nacht".
Howard Carpendale: Das stimmt. Wir haben auf der Deluxe Edition drei englische Coversongs drauf gepackt, die von den Fans gewählt wurden. Die beiden Clubversionen waren bereits fertig für eine Show, die ich noch machen werde. Irgendwer kam also auf die Idee, die als Titel 16 und 17 auch noch dazuzunehmen. Ich bin mit den ersten 15 Titeln mehr als glücklich, also ist das ok.
Bei den drei Coversongs handelt es sich um "You Win Again" von den Bee Gees, Elvis Presleys "In The Ghetto" und "Say You Say Me" von Lionel Richie. Zur Auswahl standen 10 Songs, darunter Stücke von Elton John, John Lennon und Bruce Springsteen. Sind Sie glücklich mit der Auswahl der Fans?
Howard Carpendale: Ja, bin ich. Dass ich Elvis-Fan bin, ist kein Geheimnis. Als die Bee Gees kamen dachte ich kurz: Jetzt hast du dir aber ein Ei gelegt. (lacht) Ich hätte vielleicht "Imagine" noch gerne dabei gehabt, aber die Fans haben gut entschieden. Ich habe die zehn Songs ausgewählt, nachdem ich mich mit der Plattenfirma geenigt hatte, dass wir Oldies nehmen. Ich persönlich hätte auch gerne neuere Songs dabei gehabt, zum Beispiel von Snow Patrol, eine meiner Lieblingsbands. "Chasing Cars" werde ich wahrscheinlich dann auf Tour singen.
Tut es als Muttersprachler auch mal gut, auf englisch zu singen?
Howard Carpendale: Es tut sehr gut, ja. Die Stimme klingt ganz anders. Ich habe eine ganz andere Stimmfarbe und komme auch höher auf englisch. Ich singe trotzdem gerne auf deutsch, weil ich, im Gegensatz zu vielen anderen englisch Sprechenden, viel Wert auf Text lege. Der Engländer kümmert sich nicht allzu sehr um den Text. Die Deutschen hören einfach besser zu.
Das Fan-Voting fand über Ihre Homepage sowie über Facebook statt. Sie sind auch recht aktiv auf der Facebook-Seite.
Howard Carpendale: Ja, mir macht das sehr viel Spaß. Ich kenne mich zwar nicht besonders gut mit Computern aus, aber ich schreibe alles selbst und mein Management postet es dann für mich. Ich interessiere mich auch sehr dafür, was die Leute zu sagen haben. Man hat eben auch immer einen Idioten dabei, der alle anderen dann furchtbar beleidigt, aber wir ignorieren diese Menschen, bis sie merken, dass sie Ihre Zeit verschwenden. Es ist eine andere Welt, die sicherlich auch viele Gefahren birgt. Man muss vorsichtig sein, dann bietet Social Media viele tolle Möglichkeiten.
Man muss mit der Zeit gehen. Zeit ist auch das Rahmenthema des neuen Albums. Ein Thema, an das man auf ganz viele verschiedene Arten herangehen kann. Wie sah ihre Herangehensweise aus?
Wie leben in einer sehr schwierigen Zeit, in der viele Dinge besser laufen würden, wenn wir uns darüber bewusst wären, dass unsere Zeit sehr kostbar und gleichzeitig in der Weltgeschichte nur ein Wimpernschlag ist. Wir fallen in einen Automatismus, durch den wir Dinge hinnehmen, die wir überhaupt nicht hinnehmen sollten. Das Album beschäftigt sich mit der Wichtigkeit, bewusster zu leben.
Sie sind auch musikalisch mit der Zeit gegangen, das Album klingt sehr modern. Liegt das ein Stück weit an dem Konzept des Songwritercamps, das Sie schon zum wiederholten Mal für ein Album gewählt haben?
Howard Carpendale: Nicht direkt. Ich habe in den 70ern "Das schöne Mädchen von Seite eins" gesungen. Viel primitiver geht es nicht. Aber es war die Zeit des Schlager, ich habe mitgemacht und es war lustig. Das fing mit der Neuen Deutschen Welle an zu bröckeln. Danach habe ich meine Musik immer weiterentwickelt, bin in eine Richtung gegangen, die zu mir passt. Ich habe natürlich meinen englischen Geschmack dazu genutzt, mich von dem Rest etwas abzuheben. Bei dem neuen Album bin ich endgültig an dem Punkt angekommen, wo ich sagen kann: Ich bin rundum mit der Musik glücklich, es ist alles so geworden, wie ich es wollte.
Ist das überhaupt noch Schlager?
Howard Carpendale: Ich weiß es nicht. Was ist Schlager? Ich habe die Definition von Schlager nie verstanden. Eigentlich heißt Schlager nur, dass es ein Hit ist, das ist die wörtliche Übersetzung.
Freut es Sie, dass die Wahrnehmung von Schlager wieder positiver geworden ist?
Howard Carpendale: Ich bin mir nicht ganz sicher, was da genau passiert. Mit Helene Fischer ist eine Künstlerin dahergekommen, die die ganze Szene auf den Kopf gestellt hat. Ich kenne sie mittlerweile ganz gut und ich freue mich für sie, dass sie so erfolgreich ist.
2007 feierten Sie Ihr Comeback nach Ihrem Rückzug aus dem Musikgeschäft im Jahr 2003. Das ist jetzt auch schon wieder eine Weile her. Sie bereuen wohl ihre Entscheidung nicht, wieder auf die Bühne zurückzukehren?
Howard Carpendale: Nein, um Gottes Willen. Diese Entscheidung hat mir das Leben gerettet. Ich konnte ohne Ziele nicht leben.
Und nur in der Musik sahen Sie diese Ziele?
Howard Carpendale: Die Musik war meine Treibkraft, seit ich Elvis gesehen habe. Dafür habe ich mein ganzes Leben lang gelebt. Neben der Musik gab es nur noch den Sport, der mich auch angespornt hat. Aber der Zug war 2003 abgefahren, da war ich 57. (lacht) Ich habe das große Glück, ein Publikum zu begeistern, das größtenteils 20 Jahre jünger ist als ich und die Leute wollen nach wie vor meine Platten kaufen und meine Konzerte besuchen. Es geht immer weiter, ich habe nicht das Gefühl, dass noch einmal der Tag kommt, an dem ich sage, ich höre auf. Da muss schon der Punkt kommen, dass ich alles gemacht habe, was ich machen wollte.
Wissen Sie das Live-Erlebnis, den Kontakt zu den Fans seit ihrem Comeback noch mehr zu schätzen?
Howard Carpendale: Ich habe es immer zu schätzen gewusst, das war schon immer der Grund, warum ich Musik gemacht habe und noch immer mache. Ich sehe mich als Entertainer und möchte Menschen unterhalten und glücklich machen. Das ist auch eine Challenge, wenn man weiß, dass man dazu jetzt 90 Minuten bzw. zwei Stunden Zeit hat. Das ist mein Fußballspiel. (lacht)
Im Herbst geht es für Sie wieder auf Tournee durch Deutschland und Österreich. Gibt es eine Stadt in der Sie besonders gerne spielen?
Howard Carpendale: Klar sind Städte wie Köln, Hamburg; Berlin oder München immer die Highlights einer Tour, allein aufgrund der Besucherzahl. Aber die sehen die gleiche Show wie alle anderen auch. Es hat auch seinen Reiz, mal nur vor knapp 2000 Leuten zu spielen, in sehr sehr schönen Hallen zum Teil, zum Beispiel die Stadthalle Chemnitz finde ich toll. Aber egal wo wir sind, wir fragen uns immer wieder: Wozu brauchen wir eigentlich Stühle? Die Leute stehen von der ersten bis zur letzten Minute.
Ist das jetzt auch eine neue Herausforderung bei den "Großen Schlagerstarparaden", wo Sie zum ersten Mal dabei sind, Menschen, die nicht allein wegen Ihnen kommen, innerhalb von einer halben Stunde zu begeistern?
Howard Carpendale: Das wird eine interessante Sache. Ich bin sehr gespannt darauf. Bei den eigenen Konzerten herrscht eine Wahnsinnsstimmung, aber die baut sich innerhalb von zwei Stunden auf. Mit fünf, sechs Liedern die Halle zum Kochen zu bringen, wird nicht leicht, aber ich freue mich darauf.
Autor: Michael Nützel
Quelle: Musikmarkt - 05.03.2015
Back