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Laith Al-Deen im Interview mit: Olaf Neumann (on)

Posted by admin (admin) on 31.03.2018 at 06:53
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Laith Al-Deen im Interview mit: Olaf Neumann (on)

 

Laith Al-Deen hat ein Album gemacht, das voller Tatendrang steckt und dabei ungeahnte Ruhe ausstrahlt. Ein Album, das aus hunderten Geschichten besteht und dennoch unbeirrt persönlich wird. – Auf dem weiten Weg zu uns selbst wird „Bleib unterwegs“ uns sicher noch sehr lange begleiten...

 


Dein neuntes Album heißt „Bleib unterwegs“. Wie vermeidest du Alltagstrott?
Laith Al-Deen: Ich hänge nicht mehr an allem wie eine Zecke und gebe einfach mal Verantwortung ab. Mein Produzent Udo Rinklin hatte eine klare Vision von dem Album und ich ließ ihn einfach laufen. Das gab es bei mir vorher nicht. Dieses Mal habe ich einen musikalischen Bogen zu meinen ersten Alben geschlagen. Die Songs drehen sich um Entscheidungen, die man in der Lebensmitte trifft.


Wie schwer war diesmal das erste Wort oder der erste Gedanke?
Al-Deen: Glücklicherweise gab es ein paar Songs auf diesem Album schon länger. Den Auftakt „Alles hat seine Zeit“ haben Johannes Falk und ich vor drei Jahren bei mir im Keller gebaut. Der Titelsong „Bleib unterwegs“ stammt von Gregor Meyle und lag noch länger bei mir rum. Ich fand ihn von Anfang an gut, aber er passte nicht zum Album davor.


Muss ein Song immer sofort als Laith-Al-Deen-Song erkennbar sein?
Al-Deen: Nein. Aber der Gesang und gewisse harmonische Strukturen sorgen bei mir immer für einen hohen Wiedererkennungswert. Auf dem Album kehre ich zurück zu dem Sound meiner Anfangszeit, den ich immer noch mag. Ihn auszumerzen, kriege ich nicht hin. Nichtsdestotrotz gibt es auch Songs, die ganz anders klingen. Das Duett mit Cäthe zum Beispiel.


Startest du jeden Tag mit einem Ritual, bevor du mit dem Schreiben beginnst?
Al-Deen: Das Ritual war, dranzubleiben und jeden Morgen das Werk des Vortages dahingehend zu beleuchten, ob es mir noch gefällt. Und wenn ich einen guten Tag habe, schnappe ich mir einfach die Gitarre und schaue, was passiert. Vielleicht spiele ich auch mal jemandem aus dem Umfeld etwas vor. Zwei, drei Freunden, die wie ich Musiker sind, haue ich regelmäßig was um die Ohren.


Über Facebook hast du deine Fans nach persönlichen Geschichten aus dem Leben, die interessant für ein Lied sein könnten, befragt. Wie viele verwertbare Antworten hast du bekommen?
Al-Deen: Ich habe etwa hundert sehr intime Geschichten gelesen, darin geht es hauptsächlich um Trennung, Trauer, Schmerz und Lebensneuanfang. Ich wusste vorher nicht, wie sehr sich die Leute öffnen würden. Es war klar, dass das in einem vertraulichen Rahmen stattfindet. Das Ziel war eigentlich, einen Song zu generieren. Aber am Ende ist das ganze Album mehr oder weniger aus diesen Geschichten, den Beiträgen der wenigen Co-Schreiber und meinen eigenen Songs entstanden.


Wie wird die Geschichte eines Fremden zu einem Song von Laith Al-Deen?
Al-Deen: Erhalten habe ich zum Beispiel eine Geschichte über das Verlieren von Mut. Im Leben von Eltern gibt es nichts Schlimmeres, als wenn dein Kind dich zu früh verlässt. Wenn du mehr als fünf solcher Geschichten am Stück liest, kommst du echt schlecht drauf. Letztendlich triggert das aber auch schlechte Erfahrungen in meinem Leben und ich habe angefangen, mich wieder mehr mit dem Thema Verlust auseinanderzusetzen. Das verdrängt man gerne mal. Ich weiß nicht, wie man sich darauf vorbereitet, jemanden zu verlieren. In unserer Kultur ist das nicht wirklich angesagt. Ich habe darüber mit Johannes Falk und meinem Produzenten Udo Rinklin gesprochen. Dabei hat sich eine Sicht entwickelt, die in dem Song „Alles hat seine Zeit“ mündete.


Ist das Lied „Geheimnis“ auch Ergebnis dieser Befragung?
Al-Deen: Ja und nein. Leon Taylor, der Sohn von Peter Maffays Bassist Ken Taylor, schreibt mir ab und zu etwas, das für bestimmte Lebenssituationen, in denen ich gerade stecke, passt. Es geht darum, dass wir in einer vermeintlich offenen Welt leben, aber feststellen müssen, dass es nach wie vor große Defizite gibt. Sei es interkulturell, interreligiös oder was homosexuelle Liebe angeht. All das führt zu Geheimnissen, mit denen man in sich selbst konfrontiert ist, weil sich etwas richtig anfühlt, das als falsch gilt. Mit dem Song „Geheimnis“ will ich zeigen, dass niemand damit alleine ist.


Ist Songschreiben Selbstanalyse?
Al-Deen: Definitiv! Vor allen Dingen, wenn du darin nicht selbst komplett involviert bist. Wir haben dann an „Geheimnis“ noch ein bisschen herum geschraubt, aber bereits im ersten Moment fühlte ich mich von dem Song ertappt. Da hat jemand etwas auf den Punkt gebracht, der mein Leben gar nicht kennt.

 

Laith Al-Deen – Bleib unterwegs (Sony) – VÖ: 15.07.2016

 

Quelle: MCS Marketing - 12.07.2016

 

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