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Marshall & Alexander - Album "Paradisum - Die Top 10 des Himmels II" - VÖ: 17.9.2010

Posted by admin (admin) on 10.10.2010 at 07:49
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s²marketing informiert: CD: Marshall & Alexander - "Paradisum - Die Top 10 des Himmels II" (Verlag: Edel; ET: 17.9.2010)

 

Selten haben Künstler eine so zielgruppenumfassende Nische für sich entdeckt; dass es dabei weniger um Marketingüberlegungen als um pures Herzblut geht, fühlt man mit jeder Note die gesungen wird - ob Klassik-Fans, Musikfans im allgemeinen und durch alle Altersklassen oder die sehr große Schar an weiblichen Zuhörerinnen, sie alle bilden ein festes Publikums-Fundament für diese beiden Ausnahmekünstler.

 
PARADISUM: Das Paradies ist die Utopie der Seele, Summe aller träumbaren Träume. Und Hoffnung, Freude, Belohnung, Erlösung, Heiterkeit, unbeschwerte Lust, friedvolles Miteinander. Eine bessere Welt, die niemals nachprüfbar sein wird, so sehr wir sie uns auch wünschen. Unsere Musik soll einen Weg weisen, ins Paradies! Paradisum ist der Titel des neuen Albums von Marshall & Alexander.

 
Hören, was noch kein Auge je geseh’n!

 
Musik schafft den sichersten, weil unmittelbaren Zugang zu dem, was wir nur aus der Fantasie kennen können, dem Paradies. Kennen können - das erklärt klar und deutlich der Prophet Jesaja: „Kein Auge hat Gottes Reich gesehen, außer Gott selber“. Eine richtige Tonfolge, die sich zur Melodie aufschwingt, schafft Näherungswerte auf dem Weg dorthin. Man kommt ihm so nahe, wie man will oder kann.

 
Aber eins ist klar, Paradisum kann man nicht erklären, man muss es hören, erleben!

 

Tracklisting:
Großer Gott Wir Loben Dich 3:16 (Anspieltitel-Download!!)
Die Himmel Rühmen (Die Ehre Gottes aus der Natur) 3:11 (Anspieltitel-Download!!)
Oh God Beyond All Praysing 4:32 (Anspieltitel-Download!!)
Mariä Wiegenlied 3:50
Lascia Ch‘io Pianga 3:21
Mille Cherubini In Coro 3:07
Daglar Ile, Taslar Ile 3:01
The Lord¹s Prayer 4:41
Adeste Fideles 4:11
Selig Sind Die Verfolgung Leiden 2:52
In Paradisum 3:02
Der Engel 3:28
Avinu Malkeinu 4:28
Cujus Animam 3:48
Halleluja 3:06
 


Marshall & Alexander - "Paradisum–Die Top 10 des Himmels II"
Art Nr.: 0205716EME
Label: Edel Germany GmbH
VÖ: 17. September 2010

 


Noch mehr Infos und Hörbeispiele gibt es auch unter: http://paradisum.marshall-alexander.de und http://paradisum.marshall-alexander.de/#/musik
 

 

 

Jay Alexander - LEBENSZEICHEN


Ein kleines reines Herz und eine feine Nase. Jay Alexander kommt in Pforzheim, am 1. August 1971, als Alexander Pfitzenmeier zur Welt. Der Vater ist Polizeibeamter, leitet die Dienststelle in dem kleinen Dorf Bauschlott im Enzkreis. Die Mutter arbeitet halbtags in einem EDV-Büro bei einem Maschinenbauunternehmen in Pforzheim. Schwester Christina ist bereits sechs Jahre alt.


Jay erinnert sich. Er ist fünf Jahre alt, als ihn seine Mutter das erste Mal in die Sonntagsschule der evangelischmethodistischen Kirche im Ort schickt. Auch fünf oder sechs gleichaltrige Kinder sind dabei. Jay denkt vor allem an den Geruch des Linoleumbodens. Zu den meisten meiner wichtigen Erinnerungen gehört immer ein bestimmter Geruch. Umgekehrt wenn ich einen bestimmten Geruch wahrnehme, dann kommen sofort die dazugehörigen Erinnerungen auf. Es ist für ihn ein eigenartiges, ein neues Gefühl.


Die Kinder sitzen am Tisch und der Sonntagsschulleiter gibt den Kleinen ein Gesangbuch in die Hand. Dann stimmt er a capella ein Lied an. Und ich habe so ein bisschen mitgesummt. Danach betet die Gruppe. Vater unser…- schon damals mit der gleichen "Aufsagmelodie", wie man sie bis zum heutigen Tage spricht. Ich habe mitgebetet und mir gar keine Gedanken darüber gemacht, was das bedeutet.


Dann wird noch eine Geschichte aus der Bibel erzählt. Und wieder ein Lied gesungen. Wie eingesteckte Fähnchen in einer Landkarte begleiten Gerüche auch die weitere Erinnerung an seinen ersten Tag in der Kirche. Zum Beispiel der Zigarettenrauch des Lehrers und das Aroma der Eukalyptus-Bonbons, die dieser zwischen zwei „Kurmark“ lutscht. Seine Umwelt nimmt er immer auch mit der Nase wahr. Ich liebe den typischen Landgeruch nach frisch gemähtem Gras, nach Heu und Mais. Bei der Ernte, bei der Weinlese. Mein Vater hat einen Weinberg in der Nähe vom Kloster Maulbronn. Ich helfe immer bei der Lese von Trollinger und Lemberger mit, auch heute noch. Der kleine Junge Alexander besucht fast jeden Sonntag die Sonntagsschule. Aber jeden Abend betet die Mutter mit ihm vor dem Schlafen gehen. Müde bin ich geh zu Ruh, schließe meine Augen zu, Vater lass die Augen Dein, über meinem Bette sein, Amen. Oder Ich bin klein mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein, Amen. Das dürften wohl die gängigsten Kindergebete sein, die in Deutschland gelehrt werden. Abend für Abend habe ich dann auch alleine vor dem Einschlafen gebetet und mir nicht wirklich Gedanken darüber gemacht, was die Gebete aussagen.


Als Jay, noch Alexander, neun ist, tritt er der Jungschar bei. Er findet das sehr spannend, wegen der Zeltlager (auf denen er es aber vor Heimweh kaum aushält). Dann beginnt die Musik sich weiter in seinem Leben auszubreiten. Er wird Mitglied im Posaunenchor. Die erste Berührung mit einem Instrument. Er lernt Noten und auf der Trompete zu blasen. Doch bald stellt er fest, dass ihm die Blasmusik, dieser typische Posaunenchorklang nicht gefällt und ihm außerdem in den Ohren weh tut. Meine Schwester und ich besaßen zwei giftgrüne Gummiquietschtiere. Wenn die jemand quietschen ließ, weinte ich jedes Mal, weil mir das so in den Ohren wehtat. Also bläst er den Trompetenunterricht wieder ab und es bleibt bei Bibelgeschichten und Kirchenliedchen in der Sonntagsschule. Rückblickend wird mir immer mehr bewusst, dass ich nicht aus eigener Überzeugung - wie auch, im Alter zwischen fünf und neun Jahren?, sondern meiner Mutter zu Liebe dort hin gegangen bin. Es gehörte in meiner Familie einfach dazu.


Das erste Credo. Alexander wird ein guter Schüler, nur in Mathematik hapert es, was sich auch im Laufe der Schuljahre nicht wesentlich ändert. Er hofft auf himmlischen Beistand, denn auf dem Notenschrank in der Kirche klebt ein Zettel: "Gott vermag all' Deine Probleme zu lösen". Er betet zum ersten Mal bewusst, will gezielt etwas vom lieben Gott. Regelmäßig betete ich vor meinen Mathearbeiten, aber es hat sich nicht auf meine Zensuren ausgewirkt! Irgendwie hat er mich wohl nicht richtig verstanden und ich ihn auch nicht. In der sechsten Klasse verliert er einen Schulkameraden, der an Krebs erkrankt ist, ein anderer kommt bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Auch da haben die Gebete nichts genützt. Und so gab es einige Momente, wo ich Gottes Hilfe nicht erleben durfte. Irgendwann hat er dann aufgehört mit dem Beten und dem Glauben an Gott. Auch die Gespräche mit seinen Eltern bringen ihn nicht weiter, auch dann nicht, wenn sie ihm erklären, dass Gott eben nicht überall sein und auch nicht immer helfen kann! Also erhält auch er keine Antworten auf die drängenden Fragen, die jeder einmal stellt: Warum lässt Gott Kriege zu, Krankheiten und andere schreckliche und schlimme Dinge?


Jahre später, 1992, wird Gott bei ihm präsent. Als lieb und gütig. Jay gewinnt bei einem Gesangswettbewerb in Leipzig ein Stipendium. Imre Fabian, damals Chefredakteur der angesehenen Zeitschrift "Opernwelt", spendet ihm nach seinem ersten Vortrag ein deftiges, aber hochkarätiges Lob: „Mein Lieber, Ihnen hat der Liebe Gott in den Hals geschissen! Seien Sie ihm dankbar dafür!“ Jay ist überglücklich und voller Freude, aber dennoch völlig durcheinander. Ich bin einfach nur schnell aufs Klo gerannt - wo sollte ich auch sonst mit mir alleine sein können? Dort habe ich seit langer, langer Zeit wieder meine Hände gefaltet und mich bei Gott bedankt! Seine Haltung gegenüber Gott erfährt also eine Kehrtwendung. Davor aber, gerade in der Zeit des Erwachsenwerdens, plagen ihn Ängste, die Familie, den Boden unter den Füßen und die Orientierung zu verlieren. Die Pubertät und die ersten Jahre danach waren für mich oft nicht einfach..


Während dieser Zeit ist mein Vertrauen und meine Meinung zum Glauben Achterbahn mit mir gefahren. Abnabelung war für mich gleichbedeutend mit Abtrennen. Davor hatte ich Angst. Heute weiß er, dass es viele Ereignisse in seinem Leben gab, in denen er sich den Beistand Gottes gewünscht hätte. Doch genauso fallen Jay unzählige Ereignisse ein, für die er Gott dankbar ist. Für so vieles in meinem Leben: Die Ehe mit meiner Frau, die Geburt unseres Sohnes und unserer Tochter, meine Eltern, die ganze Familie. Sind seine Empfindungen der Beleg dafür, dass Gott auch hinter dem Guten steht? Könnte ein Theologe ihm diese Frage schlüssig beantworten? Er ist sicher, dass er sich diese Frage heute selbst beantworten kann: Vielleicht ist es ja von Gott so eingerichtet, dass ich mich über die Musik mit ihm unterhalten kann?!


Tatütata im Quartsprung, Zweitakter und Viertakter. Und alles ohne Noten. Bis zu seinem vierzehnten, fünfzehnten Lebensjahr ist Musik für ihn eher nebensächlich, trotz Posaunenchor und Einsätzen in der Feuerwehrkapelle mit dem Waldhorn. Das Musizieren zuhause - Vater ist Autodidakt am Klavier, die Mutter singt im Kirchenchor, die Schwester übt für den Klavierunterricht, - hat für ihn in diesen Jahren den gleichen Stellenwert wie das tägliche Mensch-ärgere-Dich-nicht-spielen mit seiner Oma. Das gilt auch für die unzähligen, auf der Fahrt zur Verwandtschaft nach Bretten im Auto
gesungenen Kanons: „Bruder Jakob“ und „Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König…“. Seine Berufswünsche wechseln immer mal wieder. Kfz-Mechaniker liegt lange Zeit auf Platz eins. Es ist die Begeisterung für alles, was mit Motoren, mit Lärm und Krach zu hat und nach Zweitaktgemisch duftet (!!!). Diese Lust findet zunächst Befriedigung in ersten Schwarzfahrversuchen mit dem Mofa. Das unter erschwerten Bedingungen, denn seine Mofaausflüge müssen streng geheim bleiben, weil der Vater ja Chef des örtlichen Polizeipostens ist. Berufsfeuerwehrmann wollte er auch werden, aber nie Pilot oder Lokführer und auch nicht Sänger. Das stand überhaupt nicht zur Auswahl.


Ich bin dann mit 10 Jahren in die Jugendfeuerwehr eingetreten. Mich faszinierten besonders die Einsatzfahrzeuge mit ihren Kompressor-Martinshörnern. Das war so laut, dieser Quartsprung des Tatütata, das war wahnsinnig und tat meinen Ohren seltsamerweise nicht weh. Ansonsten erlebt er eine sehr ruhige und unbeschwerte Kindheit. In einer wunderbaren, glücklichen Familie, die mich behutsam umsorgt hat. Talente sind noch nicht erkennbar, eine Sportskanone ist er auch nicht, obwohl ihm das Fahrrad an den Hintern gewachsen ist. Außer, dass seine Nachbarin sagt: Mensch der Junge, der pfeift immer, und singt. Der ist immer gut drauf. Das lag seiner Meinung nach schlicht und einfach an der Freude am Leben in der ländlichen Idylle. Wenn ihn einmal etwas bedrückt, dann geht er ins Treppenhaus und singt los. Die Akustik ist dort so gut, dass seine Laune durch seinen eigenen Gesang sofort besser wird. Er genießt es in vollen Zügen, wenn er mit dem Rad den Dorfanger herunterfährt. Und mein Vater fuhr mit seinem schönen grünen Polizeikäfer hinter mir her - ich hab das gar nicht bemerkt - und hat dann durch den Lautsprecher gerufen: Hallo Alexander… Das hat mich erschreckt, aber natürlich fand ich 's toll. Er darf auch mal mitfahren im Polizeikäfer und dann genießt er, wie das Funkgerät rauscht und den ganz eigenen Geruch der Sitze.


Aus voller Überzeugung geht er zur Freiwilligen Feuerwehr. Bleibt bis zum 28. Lebensjahr. Das erspart ihm auch den Wehrdienst, den er ohnehin nicht hätte leisten wollen. Menschenleben mit dieser Art von Dienst schützen und retten zu können ist ihm lieber. Gabelschlüssel und Stimmgabel. Mit sechzehn Jahren denkt er zum ersten Mal an eine Berufsausbildung. Kein Abi, also kein Studium! Seine Eltern hätten das gerne gehabt: Deine Schwester studiert, mach doch das Abi nach! Ich will ein Handwerk lernen. Kfz-Mechaniker, das wäre nicht schlecht, aber da ist zuwenig zu verdienen. Ein Bekannter, der Drucker ist, macht ihm diesen Beruf schmackhaft. In Pforzheim bewirbt er sich. Der Ausbildungsleiter ist auch ein Motorrad- und Autofreak und merkt, dass der junge Alexander sehr gut mit einem 17-er Gabelschlüssel umgehen kann. Da war mir der Ausbildungsplatz sofort sicher. Er lernt alle Druckverfahren kennen. Ein schöner Beruf. Zuerst das weiße Blatt, dann die einzelnen Farben und schon hat man einen schönen Vierfarbdruck in der Hand.


Dann kommt der Tag, an dem der Sechzehnjährige unter der Dusche steht und aus dem Radio des Autos, das offen im Hof steht, herrliche Töne hört. Fritz Wunderlich singt: Ich küsse ihre Hand Madame. Da habe ich den Hals aufgemacht und auf einmal kam ein Ton heraus. Das hat mich überrascht. Ich habe dann versucht, den Klang zu imitieren, ganz ernsthaft, nicht zu parodieren. Sein Vater hört das und lobt: Junge, das klingt super! Könntest Du Dir nicht vorstellen, Unterricht zu nehmen? Vater muss gar keine Überzeugungsarbeit leisten. Im Nachbarort nimmt Alexander dann in einer privaten Musikschule Gesangsunterricht. Das Singen breitet sich aus, kreisförmig in Wellen, wie wenn ein Stein ins Wasser fällt. Die kleinen Auftritte werden mehr und mehr.


1992, er, der Druckergeselle, nimmt an einem Gesangswettbewerb in Leipzig teil, singt aus Lortzing’s „Undine“ „Vater Mutter, Schwestern, Brüder“ und den Filmschlager „Ich küsse Ihre Hand Madame“. Sein Leben erfährt eine Kehrtwendung, angestoßen durch die Aussage des angesehnen Imre Fabian: Mensch Junge, mach etwas draus, das bist Du Deiner Stimme schuldig! Voller Stolz fährt er nach Hause. Er hört, dass er auch ohne Abitur Musik studieren kann. Die Freude über den Druckerberuf ist ihm ohnehin längst vergangen. Die damaligen Kollegen aus der Druckerei sagen: Du spinnst, Du verdienst hier gutes Geld und nun gibst Du das alles für eine brotlose Kunst auf! Da war schon großer Bammel dabei. Und was hätte er gemacht, wenn er die 1.000 DM nicht gewonnen hätte, die er ein Jahr lang jeden Monat zur Finanzierung eines Musikstudiums bekommen soll? Das war damals für ihn ein Haufen Geld. Von den Eltern hatte ich eine enorme emotionale Rückendeckung bekommen. Sie haben gesagt, Junge mache es, sonst wirst Du in Deinem Leben nicht mehr froh. Er besteht die Begabtenprüfung und kündigt seine Gesellenstelle. Das ist seine Art. Wenn er etwas anfängt, zieht er es immer bis zum Ende durch.


Ein Jahr lang bereitet er sich auf das Studium vor: Allgemeinwissen, Instrumentenkunde, Musikgeschichte. Dann, im Wintersemester nimmt er das Musikstudium in Karlsruhe auf. Das war wunderschön, weil ich in eine ganz andere Welt eingetreten bin. Raus aus Druckerschwärze und Maschinenlärm, in der man sich angeschrien hat, in eine ganz neue Welt, in das frisch renovierte Schloss Gottesaue, das zur Hochschule umfunktioniert wurde. Fein aufgeräumt alles und sehr geordnet. Es riecht nach einem ganz anderen Leben, in dem frisch gestrichenen Gebäude. Er singt noch mehrere Wettbewerbe, gewinnt erste und zweite Preise und denkt sich, dass er auch irgendwann von seinem Gesang, seiner Kunst leben kann. Das Studium macht ihm Freude, bringt Begegnungen mit neuen Menschen. Das schätzt er als Lebensqualität. Die meisten Kommilitonen wurden von zuhause finanziell unterstützt, mussten keine Nebenjobs machen. Er repariert Motorräder und Autos, mäht der Nachbarin den Rasen. Macht das alles morgens: Ich hatte allen schon ein Stück Tag voraus. Ich bin notorischer Frühaufsteher. Nichts ist für mich so wertvoll, wie die Morgenstunden. Sie haben auch einen besonderen Geruch.


Wechselwirkungen. Das Musikstudium bringt es mit sich, dass er in Kirchen singt. Oratorien sind Teil des Lehrplans. Das ordnet er heute als wichtig für sich ein, weil er erlebt, mittelbar erfährt, wenn etwa er bei Hochzeiten, Taufen oder auch Beerdigungen singt, wie dicht Freud und Leid beieinander liegen. Jedes Mal wenn die Musik erklingt, egal ob Bach, Mendelssohn oder Bruckner, spürt er eine ganz eigene nicht erklärbare Atmosphäre im Raum und wie sich dabei in ihm Gelassenheit ausbreitet. Entspannung, die ich in meinem persönlichen Alltag nie erfahren durfte.
Der Tenor, der Bariton, das Duo. Eine schöne lyrische Tenorstimme, die durch intelligentes Phrasieren und elegante Stimmführung beglückt. Wenn so etwas geschrieben wird, von Jürgen Kesting, dem Nestor unter den deutschen Musik- und Opernkritikern, dann hat das Folgen.


Das Staatstheater Würzburg möchte das vielversprechende Talent unbedingt für die Spielzeit 1996/97 engagieren. Und sogar noch darüber hinaus an sich binden. Das Theater bietet ihm alle Mozartrollen seines Stimmfachs an. Ein sensationelles Angebot. Zeitgleich hat Alexander noch eine Studiosession für ein Soloalbum in Berlin. Sein Freund und Studienkollege aus Karlsruhe, Marc Marshall arbeitet mit, als Produzent. Es kommt ein Song, mit dem sich Alexander schwer tut. Marc stimmt mit ein. Und clever, wie Tontechniker nun einmal sind, schneiden sie immer alles mit, auch Außerplanmäßiges. Man weiß ja nie, wozu es gut ist. Plattenboss Thomas Stein hört die Aufnahmen ab, dabei auch den Mitschnitt von Jays und Marcs Zwiegesang. Das ist es! Genau das hat er schon immer gesucht. Ein Männerduo mit einem breiten stilistischen und klanglichen Spektrum. Dazu kommt ein Angebot des weltberühmten Filmkomponisten Harold Faltermeyer, der die unvergessene Musik zu „Top Gun“ geschrieben hat, ein ganzes Album mit den beiden zu produzieren. Eine Entscheidung muss gefällt werden. Zwei verlockende Herausforderungen für Alexander. Faltermeyers Projekt und Würzburg mit all den Mozartpartien. Ich habe lange überlegt. So ein Angebot wie aus Würzburg kommt eher noch einmal, als eine Anfrage von Harold Faltermeyer.


Ich habe mich entschieden. Für Marshall & Alexander. Das war 1997. Von 1999-2002 singt Alexander auch noch am Staatstheater Karlsruhe, um das Erlernte nicht zu verlieren. Für ihn ein Spagat, nicht immer leicht zu beherrschen. Weniger stimmlich, sondern zeitlich und von der Planung her. Viel Stress, viel Druck, viel Geschwindigkeit und immer auf die letzte Sekunde, das kostet enorm viel Kraft. Noch 2005 gibt er ein Gastspiel an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf, wo er den Belmonte in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ singt. Er will den Fuß solange es geht in diesem Terrain behalten und es kommen immer mal Anfragen. Aber Marshall & Alexander ist nun der künstlerische Lebensmittelpunkt. Das Opernleben fehlt ihm nicht. Er bereut es nicht. Die Arbeit für Marshall & Alexander erfüllt mich, den ganzen Menschen, die ganze Seele, das Denken. Die Entscheidung für das Duo war richtig. Ich stand beruflich an einer Weggabelung und habe den richtigen Weg gewählt. Man kann nur auf einer Hochzeit tanzen, auch wenn ich früher schon mal auf vier gesungen habe..…hintereinander an einem Tag.


Viel Job im Privaten - wenig Privates im Job? Bis zu seinem 22. Lebensjahr macht er sich einen genauen Lebensplan. Familie dann, dann Kinder und so weiter. Er hält ihn so lange ein bis er in diese andere Welt tritt, als er mit dem Studium beginnt. Und alles anders wird. Bis ich dann doch mehr und mehr merkte, es ist Blödsinn, das alles so exakt durchplanen und durchführen zu wollen. Ich habe begonnen, die Dinge mehrschichtig zu sehen. Gewisse Dinge sollte man sich einfach entwickeln lassen. In Pforzheim trifft er nach längerer Sendepause Vanessa wieder. Sie hatten sich einfach aus den Augen verloren. Eines Abends nach einer kürzeren Tournee fiel ihm die Decke auf den Kopf. Ich musste einfach vor die Tür, mal durch mein altes Revier stromern. Und da trafen wir uns wieder. Vanessa mit dem schönen Nachnamen Bonjour. Und dann kommt eins zum anderen. Sie heiraten. Ihm imponiert sehr, dass sie diesen schönen Nachnamen, der wie ein Künstlername klingt, Vanessa Patricia Bonjour, aufgibt. Er hätte ja ihren annehmen können, Alexander Bonjour klingt toll. Erstens hatte ich schon einen Künstlernamen und zweitens bin ich ein altmodischer Traditionalist und wollte das nicht. Wir haben uns problemlos auf meinen amtlich-offiziellen Nachnamen Pfitzenmeier geeinigt.

 

Von der Ästhetik des Wortklanges her betrachtet ein schlechter Deal. Im Januar 2006 kommt Sohn Elias zur Welt. Er hat nun Familie. Und wie viel Zeit hat er für sie? Relativ? Absolut? Manchmal ist er eine ganze Woche am Stück zuhause und kann vier oder fünf Stunden oder einen ganzen Tag lang mit seinem Sohn verbringen. Dann reicht es wieder für eine Woche entspannter Ferien in der Schweiz. Er rechnet vor, dass dies mehr Zeit ist, als sein Schwager mit seinen Kindern verbringen kann. Der ist promovierter Luft- und Raumfahrtingenieur mit einem einigermaßen geregelten Arbeitstag, der allerdings meistens zwölf und mehr Stunden dauert. Kommt der heim, schlafen die Kinder schon wieder. Jay muss sich aber zuhause auch mal zurückziehen können, eine Auszeit nehmen. Vanessa hat volles Verständnis für seinen Beruf und seinen Zeitplan. Was Tourneeleben bedeutet, erfährt Vanessa, als Jay mit Marc in 70 Städten unterwegs ist. Und bei der 100-Städte-Tournee weiß sie schon, was auf sie zukommen wird. Sie haben sich mit diesem Arbeitsleben arrangiert: Ich denke, das wird auch so bleiben. Seine Frau ist sehr musikalisch und sie kann tanzen. Sie kann Stimmen imitieren, singt auch, wie Jay sagt, wunderschön. Musikalische Früherziehung ist für beide noch kein Thema, und so wird der Junior auch nicht in irgendeine Musikrichtung getrimmt werden. Und die 2009 geborene Tochter Johanna Lydia auch nicht. Vanessa und die tanzen nach Musik aus dem Radio und für Jay es ist wunderbar zu erleben, welche Freude die Kleinen daran hat. Musik soll für beide aber erst mal nur ein Kindheitsspaß sein. Die Familie geht vor. Das ist das Wertvollste, ein derartiger Schatz. Das kann man mit keinem Applaus, keinem Konzert, mit keinem Geld der Welt aufwiegen. Die Musik wird er nie aufgeben. Sie würde nicht aus seinem Leben verschwinden, dazu ist sie zu wichtig. Auch nicht, wenn er Staubsauger verkaufen müsste, um seine Familie zu ernähren. Vielleicht würde ich dann wieder im Treppenhaus singen, damit ich mich gut fühle.


Jay legt Wert auf Sicherheit. Richtig mit Netz, ohne doppelten Boden. Auch wenn das fehlende Netz bei anderen ein Kribbeln verursacht. Das gilt ja auch für Sänger. Es gibt Kollegen, die haben im stillen Kämmerlein, eine große tragende Stimme und wenn sie dann vor großem Publikum auftreten, singen sie zurückhaltend und vorsichtig. Dadurch wird man gehemmt. In dieser Beziehung legt Jay jegliches Sicherheitsdenken ab. Wenn ich singe, dann singe ich. Ich haue es raus, wie es kommt! Über das Alltagsleben macht er sich Gedanken, auch über so prosaische und amusische Dinge wie Altersvorsorge. Aber nicht erst, seit er erfolgreich ist. Er kennt traurige Beispiele, von Sängern, die satt Kohle verdient haben und heute völlig veramt sind. Aus verschiedenen Gründen, vielleicht sind sie krank geworden oder hatten zuvor einen Lebensstil, der alles Geld verbraucht hat. Das ist tragisch. Natürlich ist es toll, wenn man sich die schönen und wertvollen Dinge leisten kann, aber ich werde nicht leichtfertig werden. So ist er auch ganz akribisch mit seinen Steuererklärungen. Er kennt zahlreiche Kollegen und Kolleginnen, die brutto für netto halten und dann gibt es das böse Erwachen, wenn der Fiskus zuschlägt.


Entspannung. Jay besteht darauf, dass Marc und er auch lernen müssen, mit den Kräften, mit den Stimmen zu haushalten, relaxen. Um zu entspannen, muss Jay sich handwerklich beschäftigen. Er ist ein großer Uhrenfan, schaut gerne in ihr Innenleben. Ein für ihn typisches Erlebnis: Er hat in seiner alten Heckflosse (das ist der Name für einen Mercedes-Benz 190, Baujahr 1962) eine Uhr im Armaturenbrett, die 1981 stehen geblieben ist. Und wenn ich entdecke, dass etwas nicht mehr geht, dann will ich es unbedingt zum Laufen bringen, das ist typisch für mich. Er entschließt sich spontan, sie auszubauen, die Drähte abzuklemmen und das verplombte Gehäuse zu öffnen. Das völlig verschmutze Werk reinigt er behutsam mit Druckluft. Dann schließt er die 45 Jahre alte Autouhr an und sie geht wieder. Das war ein Glücksmoment für mich, schön wie ein Lottogewinn. Oder das: Bei einer TV-Show in der Eifel kommt er vor Probenbeginn an einem alten Fahrradladen vorbei. Räumungsverkauf. Vor dem Laden stehen einige kleine Schubladen mit unzähligen Schräubchen und Kleinteilen drin. Er bestaunt die Kleinteile und hat eine Idee: Da muss ja noch ein ganzer Schrank da sein, zu dem die Schubladen gehören. Das alte Ding steht im Keller. Sechzig Schubladen gehören dazu. Scheußlich angestrichen ist der Schrank, aber sonst ist er völlig intakt. Er kauft das Möbel, packt es in seinen Leihwagen, der an diesem Tag zufällig ein Kombi ist. Und ab nach Hause. Ich habe mich auf der ganzen Heimfahrt darauf gefreut, das Schränkchen zu bearbeiten. Und bin am nächsten Tag gleich los, habe Abbeizer gekauft, neue Knöfpchen gedrechselt, und dann das Holz mit Bienenwachs eingelassen. Bei derartigen Übungen kann er abschalten und empfindet Freude und Glück dabei. Auch wenn er Vater den Rasen mäht und das Zweitaktgemisch riecht. Es gibt so viele Dinge in die ich eintauchen kann. Da kann ich die vorziehen, die ich will, wie die Schubladen aus dem Schrank.


Die Zeit nach M&A. Jay weiß, dass beide Verantwortung füreinander haben. Sonst gäbe es das Duo wahrscheinlich auch schon lange nicht mehr. Sie haben etwas gemeinsam geschaffen, daran halten sie fest. Es gibt einen Riesenfankreis. Wir haben einen irrsinnigen Spaß zusammen auf der Bühne und ich glaube nicht, dass man das so achtlos hinwirft. Wenn ich eines Morgens aufwache und feststelle, dass ich todunglücklich bin mit Marshall & Alexander, dann muss man reagieren, sonst frisst es einen auf. Wenn eines Tages mal niemand mehr Marshall & Alexander hören will, was dann ist, kann Jay nicht genau sagen. Er würde sich sicher um eine Solokarriere kümmern, nicht unbedingt im Opernfach. Aber wozu diese Gedankenspiele: Ich denke schon, dass es uns noch mindestens zehn Jahre geben wird, das ist ein großer Herzenswunsch. Er gibt zu bedenken: Jeder einzelne entwickelt sich auch in eigene Richtungen und vielleicht bietet das Duo eines Tages keine Herausforderung mehr. Aber bisher profitieren beide von den Einflüssen des jeweils anderen, von dem, was jeder mit einbringt. Musik ist etwas Zentrales in meinem Leben. Aber nicht das Wichtigste. Das Duo Marshall & Alexander ist für ihn nicht variierbar, nicht erweiterbar. Nicht mit Frauen, nicht mit Männern. Genau die Stimmen von ihm und Marc gehören zusammen, von ihnen geht eine enorme Kraft aus. Wir ergänzen uns in allen Stimmungen, das tut gut und ist etwas ganz Besonderes. Und ein zweites Duo mit Alexander wird es nicht geben. Nur Marshall & Alexander. Jay empfindet beide als eine geschlossene Einheit, weil sie sich gegenseitig fühlen. Da sind immer auch individuelle Tagesformen maßgeblich. Wir „singen“ auch für einander in die Bresche, es kann jeden von uns mal im Hals erwischen, dann gibt eben der andere stimmlich mehr Gas, und das ist OK so, denn die Einheit des Duos bleibt klanglich und musikalisch erhalten. Ist vom Opernsänger, vom Gesangsdarsteller Alexander noch etwas erhalten? Auf jeden Fall und unbedingt, denn Entertainer ist nichts für ihn. Das ist eher Marc.


Bei unseren Auftritten ist mein Wortanteil der kleinere, wir machen unsere Jokes und wollen das Publikum nicht mit Pointen erschlagen. Da reicht es, wenn sich Marc voll einbringt. Jay hat kein Lampenfieber mehr und bei Marc kennt er das auch nicht. Weil sie sich aufeinander verlassen können und weil beide das tun, was sie gelernt haben. Zweieinhalb Stunden Marshall & Alexander ohne Pause sind anstrengender als eine komplette Oper mit Hauptrolle. Auf der Opernbühne gibt es nicht diesen direkten Kontakt mit dem Publikum. Dann kommt noch der Orchestergraben, der bildet eine Schutzatmosphäre, ist wie ein Kokon. Man kann sich in der Rolle verstecken, im Kostüm und hinter der Maske. Bei Marshall & Alexander hast Du manchmal nur einen halben Meter zwischen Dir und der ersten Reihe des Publikums. Du bist bloß, kannst auf der Bühne nichts verbergen. In beiden Fällen kehrst du zwar Dein Innerstes nach außen. Aber du bist viel angreifbarer. Das macht aber auch einen gewissen Reiz aus. Du bist mit dem Publikum per Du und das ist ein schönes Gefühl.

 

 

Marc Marshall - LEBENSZEICHEN


Kindheitserinnerungen oder wie lieb ist der liebe Gott? Marc kommt am 28. Juli 1963 in Baden-Baden zur Welt. Er wächst in der Weststadt auf. Mittelpunkt dieses Stadtteils ist die katholische Bernharduskirche. Etwa 300 Meter von der Kirche entfernt steht das Elternhaus, das die Großeltern erbaut haben. Zu der Kirche gehört auch sein Kindergarten. Diese katholische Kirche ist für den protestantisch getauften Marc ein prägender Ort, nicht nur weil er mit den anderen Kindern an der Kirche spielt. Die Oma, die Mutter seines Vaters, bringt ihm schon ganz früh einen wahnsinnigen Respekt bei. Vor der Kirche und dem lieben Gott. Die Großmutter hat natürlich auch dort im Chor gesungen und ihr Sohn Tony musste dort als Junge schon Geige spielen in Sankt Bernhardus. Aber meine Kirche war es nie, erinnert er sich. Dass er protestantisch getauft wird, war ein Akt der Emanzipation seiner Mutter Gabriele. Wenn es um uns Kinder ging, hat sie sich immer durchgesetzt und gegen extreme Dinge gewehrt“. So wie gegen das von der Großmutter verordnete ständige Beten. Das macht sie nicht mit. Auch wenn Oma noch so sehr damit droht, was passiert wenn…
Wenn der liebe Gott das sieht, wenn der liebe Gott jenes sieht, dann! Der Himmel, immer der Himmel, den sie beschwört, wie das Vorzimmer zum Jüngsten Gericht. Großmutter richtet immer einen Teil Ihres Denkens am Jenseits aus. Nur so kann sie auch den Unfalltod ihres mittleren Sohnes verarbeiten und als göttliche Fügung, als Gottes Willen hinnehmen.


Onkel Franz ist von einem Fahrrad umgefahren worden. Er war 18 Jahre alt, ein Supersportler. Mein Vater hat das direkt miterlebt. Das hat in ihm etwas hinterlassen, was er nie verarbeiten, verwinden, schon gar nicht verstehen kann. Zuhause wird immer vom Franz geredet. Vater erzählt dauernd von ihm. Er muss ein ganz außergewöhnlicher Mensch gewesen sein. Mir wurde alles gezeigt, die Kondolenzkarte seiner Mitabiturienten, seine Urkunde als Badischer Meister im 100-Meter-Lauf, im Radfahren. Für Marcs Vater bleibt Franz das ganz große Vorbild. Und dann spricht seine Mutter, die Oma, so darüber, dass es eigentlich etwas Verständliches sein müsste, denn der liebe Gott hat das so gewollt. Und dann ist das eben so. Tony, Marcs Vater, hadert noch heute damit und zweifelt an einem Gott, der immer lieb genannt wird. Und wir Kinder übernehmen das. Nicht großer Gott oder nur einfach Gott. Nur lieb.


Stämme, Äpfel und die Abstände zwischen ihnen. Marc wird direkt in seine Zukunft hineingeboren. Als ältestes von drei Kindern. Pascal und Stella kommen 1967 und 1979 zur Welt. Es ist immer Musik bei ihm, um ihn, in ihm. Tony, sein Vater hatte in Karlsruhe und Freiburg studiert. Seine Ausbildung erhielt er unter anderem bei einer der bedeutendsten Gesangslehrerinnen jener Zeit in Freiburg. Maragrethe von Winterfeldt, die blinde Pädagogin, die auch Fritz Wunderlich unterrichtet hatte. Brotlos war Vaters Kunst zuerst. Es gab keine gescheiten Engagements. Er arbeitete ab und zu als Croupier im Kasino in Baden-Baden. Tony und Mutter Gabriele übernehmen den Lebensmittelladen von der Oma. Der wirft ein bisschen was ab, bis die Supermärkte kommen. Die Kunden kaufen bei Marshalls nur noch wenn sie etwas vergessen haben. Ich habe es als Kind so genossen, in diesem Laden rumzurennen. Der war später mein Wohnzimmer und das Lager mein Musikzimmer.


Im Jahr 1965 tut sich Einiges. Die Eltern eröffnen ihr erstes Lokal „Das Hufeisen“, eine ganz kleine Kneipe. Marc ist dabei. Im gleichen Jahr erscheint Vaters erste Platte mit französischen Erfolgstiteln wie „Aline“ und „Love me, please love me“, aber der Erfolg ist nur den Originalen auf der anderen Seite des Rheins vergönnt. Von Karriere noch keine Spur. Bei der Wahl der Erdbeerkönigin von Staufenberg hat er im Festzelt ein Lied gesungen, mehr nicht. Ein zweites Lokal kommt 1968 dazu, der Club ´68. Die anderen Großeltern, die mütterlicherseits, machen mit. Reinhold Marx, Marcs Urgroßvater war ein sehr reicher Mann. Er stammte aus Ostpreußen und machte sein Glück und Geld in Baden-Baden mit einem Sanitär-Fachbetrieb. So wuchs Mutter Gabriele in einem großzügigem Haushalt und einem bildungsbeflissenen Haus auf. Sie durfte den Autoführerschein im Alter von 15 Jahren machen, weil sie ihren Opa, Ur-Großvater Reinhold chauffieren musste. Ihre Mama, Margot, war begehrt, eine First Lady der Baden-Badener Gesellschaft, Jägerin, sportlich, fuhr einen Ford Mustang. Und dann der Schock. Der Vater stirbt, die Firma verliert den führenden Kopf und das Vermögen geht aus vielen verschiedenen Gründen, verloren. Aber sie behält ihre Würde, arbeitet im Haushalt mit: Waschen, bügeln. Und dabei immer elegante Blusen getragen und mit Grazie ihre langen dünnen Zigaretten geraucht. Von ihr habe ich gelernt, wie man mit Wohlstand und Geld umgeht, wenn beides plötzlich nicht mehr da ist. Geld ist nicht wichtig, wenn man mit sich selbst klar kommt. Geld ist für Marc deshalb nie ein Thema. Er muss sich oft anhören, Du hast ja Deinen erfolgreichen Vater. Der wird´s Chicago-Los Angeles-Karlsruhe. Und zwischendurch immer wieder Baden-Baden. Mit vierzehn gründet Marc die Band „Fantasy“, auch eine Platte entsteht. Der Vater ist der Produzent. Dann beginnt die Abnabelung. Marc entdeckt andere Musikrichtungen für sich. Er hört zuhause Klassik, Chansons, Jazz, Schlager und echte Popmusik. „Jesus Christ Superstar“ habe ich Tag und Nacht gehört...


Während eines Sprachkurses in England stellt er fest, dass er musikalische Vorlieben entwickelt. …und danach erst mal nur noch die Beatles. Und dann das große, das prägende Erlebnis. Er ist 1979/80 in den USA, besucht ein Live-Konzert von Al Jarreau. Ich werde nie vergessen, wie er auf diese Riesenbühne kam. Da springen 3.000 Leute auf und begrüßen ihn, sind völlig in Ekstase. Drei Stunden, die sein Leben entscheidend verändern. Natürlich hat er alle Platten von ihm, erlebt ihn mindestens zwanzig Mal live. Al Jarreau verkörpert für Marc ein Ideal. Der kommt wie eine Katze auf die Bühne und schon ist der ganze Saal in Stimmung. Auch bei ihm klingt der ganze Körper, das hat mich so beeinflusst. Auch wenn er hässliche Töne produziert. Aber das ist er, das kommt von innen. Auch die Fähigkeit zur Improvisation, beeindruckt Marc. Das war damals neu für ihn, nicht nur zu singen, was irgendwo aufgeschrieben war. Ich wollte wie Al Jarreau sein. Auf kleineren Galas singt Marc nur Al-Jarreau-Titel. Vater Tony ist entsetzt, wenn sein Sohn Vocals von und wie Al Jarreau singt. Das war für ihn nur quietschendes „Rumgehuddel“, aber ich habe gemerkt, was man mit der
Stimme alles machen kann.


Als Marc mit der Schule fertig ist, will er unbedingt in die USA. Er geht nach Los Angeles. Für zwei Jahre. Dort trifft er Stevie Woods, einen Künstler des Produzenten Jack White, den er schon aus Deutschland kennt. Woods, immerhin schon in den Top-20 in den USA platziert, will noch einmal studieren. An der „Dick Grove School of Music“. Stevie überredet Marc, doch die Aufnahmeprüfung zu machen. Und: Sie nehmen ihn. Er hat großartige Lehrer. Auch Al Jarreau hat dort schon gelehrt. Marc nennt es eine wahnsinnige Erfahrung in einer neuen, großartigen musikalischen Welt. In kleinen Gruppen wird gearbeitet, gespielt, arrangiert, improvisiert. Außerdem arbeitet er für Stevie Woods als Roadie, wenn der abends in Clubs spielt. Und: Learning by doing. In LA trifft er auch ganz Große der Szene, beobachtet, wie sie arbeiten. Aretha Franklin, Harold Faltermeyer. Danach nimmt er in Karlsruhe sein Musikstudium auf. Gesang, Opernschule und Musikwissenschaft. Er lernt auch den systematischen Umgang mit dem Stoff und der Materie.


Ich musste auch Musik in Deutschland lernen. Ich brauchte diese handwerkliche Ausbildung einfach noch. Daneben beginnt er sich dafür zu interessieren, was alles außer Gesang und Präsentation zu einem Konzert, zu einer Veranstaltung gehört. Was muss vorher passieren an Organisation, Planung und Abläufen? Das habe ich dort auch nach und nach gelernt und dann gegen Ende des Studiums angefangen in Baden-Baden Veranstaltungen zu organisieren und plötzlich hatte ich meine eigene Veranstaltungsfirma. Er führt auch Opernregie. Seine Vorstellungen von einer Inszenierung gehen noch weiter, über Bühne und Orchestergraben hinaus. Im Theater von Baden-Baden veranstaltet er ein Festival und inszeniert, moderiert, baut mit auf und singt die Titelpartie: „Rigoletto“. Einhundert DMark kostet eine Karte. Alle sagen: Du bist verrückt, das wird ein Reinfall. Wird es nicht, sondern ein Riesenerfolg. Er wertet seine Veranstaltung auf. Keiner der Zuschauer darf etwas vor der Vorstellung davon mitbekommen. In der Pause werden die Gäste nach draußen gebeten. Für sie ist vor dem Theater eine 200 Meter lange Tafel gedeckt. Für jeden Gast ein nummerierter Platz. Die Hotels liefern Snacks, die Winzergenossenschaft Wein. Diese extra Pausenparty hat die Veranstaltung abgerundet.


Ich kopiere nicht oder kaufe etwas dazu. Ich entwickle am liebsten selbst. Auch unsere Programme von Marshall & Alexander. Das Duo als Unikat.


Gibt es eine Hintertür zu Gott? Mit den Religionslehrern in der Schule kommt Marc gut aus. Nach und nach stellt er fest, ohne zu reflektieren, dass er einen, auch noch lieb genannten Gott, der so viele grausame Dinge zulässt, nicht haben will. Dann bekommt er einen sehr engen Kontakt zu einem Religionslehrer. Man kennt sich, man schätzt sich als Fußballspieler. Er bringt Marc dazu sich etwas zu öffnen, nachzudenken. Dieser Mann wird ihn später sogar kirchlich trauen. Marc hadert weiter, vor allem mit dem Management des Glaubens. Er nimmt nur sporadisch am Religions- und Konfirmandenunterricht teil, liefert nicht alle geforderten Berichte ab und wird nur unter Vorbehalt konfirmiert. Da ist für ihn wieder so viel Scheinheiligkeit spürbar. Die Kinder aus dem Heim für Schwererziehbare im Ort, die in der Konfirmandengruppe sind, denen begegnet der Pfarrer sogar voller Vorurteile. Vor Gott sind doch alle Menschen gleich. Das scheint für den Pfarrer nicht zu gelten. Marcs Konfirmation ist bis heute nicht aufgehoben. Er geht kaum in die Kirche. Erst später gelegentlich, wenn er dort singen muss. Als Student oder bei Feiern, zu denen er engagiert wird. Wie sein Vater. Ich habe lange verdrängt, nicht darüber nachgedacht, warum Vater in Kirchen singt, wo er doch mit Gott und seiner Organisation nichts zu tun haben will. Marc will nicht ausschließen, dass der Vater sich auf diese Weise, quasi durch die Hintertür, Gott wieder annähern will. Ohne seine Ablehnung aufzugeben. Ich habe noch nicht mit ihm darüber gesprochen. Ich halte ihn nämlich für einen der gläubigsten Menschen, die ich kenne. Er ist diesem Riesenkonflikt ausgeliefert, den ich ihm auch zugestehe. Dass sein Vater sich mehr um Gott kümmert, als er sich selbst eingesteht. Rückwirkend ordnet Marc einige Beobachtungen ein. Als sie in Amerika in Urlaub waren, hat sich Tony dauernd die skurrilen TV-Prediger angeschaut hat und über sie geschimpft. Das ist mir erst jetzt aufgefallen. Er klagt, weil er diese Ungerechtigkeit generell auf der Welt, trotz der Lobpreisungen nicht ertragen kann.


Scheinheiligkeit und Heiligenschein liegen viel zu nah beieinander. Herbst 2007. Marc fühlt sich nicht hundertprozentig, möchte mit Körper und Seele Luft holen. Die Arbeit im Aufnahme- und dem TV-Studio, in den Konzertsälen, das alles hat ihn, der sich immer verausgabt, der nie Halbgas fährt, stark beansprucht. Ein guter Freund gibt mir den Rat, doch in eine Kirche zu gehen. Jetzt nach der intensiven Arbeit an und mit der geistlichen Musik. Warum nicht?. Marc folgt dem Rat, besucht eine Kirche in München. Er sitzt allein in der ersten Reihe, will den Klang des Raumes in der Ruhe spüren, seine Gedanken sammeln. Ein Mann und eine Frau kommen rein und fangen an laut palavernd die Kerzen zu beschneiden. Sie machen Krach, lehnen polternd eine Leiter an den Altar. Es kommt noch eine dritte Person dazu, und sie quatschen lautstark über Alltagsdinge, drei viertel Stunden lang.

Unfassbar. Dann blaffen sie Marc an: Sie müssen jetzt raus hier, Feierabend. Marc gibt zur Antwort, dass er gerne die Ruhe in der Kirche genossen hätte, wenn sie nicht so laut und lärmend gewesen wären. Die für Marc völlig unangemessene Antwort der Drei: Kommen Sie morgen wieder, dann haben Sie die Kirche für sich alleine. Die alten Widersprüche holen ihn ein. Sonntags geben sich solche Leute fromm und gottesfürchtig. An diesem Nachmittag nicht einmal menschenfürchtig. Ich kann heute noch nicht mein Verhältnis zu Gott und Kirche richtig beschreiben. Eher das zur Kirche als Institution.

 

Vor Jahren hat Marc in Rom den Petersdom besucht und wurde durch die Sixtinische Kapelle getrieben, als Tourist, ohne Chance auf Andacht, Besinnung, Sammlung. Was ist das für eine miese Veranstaltung, habe ich gedacht. Da hat mir der Zusammenhang gefehlt zu angeblichen kirchlichen Wertvorstellungen. Da wird im Namen Jesu ein Kult getrieben und mit Gottes Wort so viel Pomp und Prunk gerechtfertigt. Die Widersprüche, die er in der Institution Kirche für sich feststellt werden, bei Gott, nicht weniger. Konzile hatten sich vor Jahrhunderten damit beschäftigt, Regeln aufzustellen. Nach denen durfte die Musik in der christlichen Kirche gar nicht emotional sein. In anderen Religionen gibt die Musik Gemütszustände wieder, sie wird zur meditativen Situation. Wir nehmen deshalb in unser Repertoire auch, jüdische und islamische Gebete und Lieder auf.

 

Die Stimmbänder klingen, der Körper, das Universum. Marc glaubt an eine allumfassende Energie, die auch der ganzen Erde zueigen ist. Eine Energie, die auch als Klang und Musik erscheint. Die ganze Welt ist Klang. Und jeder Mensch hat seinen eigenen Klang und er sollte die Chance haben, seinen schönsten Klang zu finden. Nicht als künstlich geformten Ton, sondern als das, was aus einem Menschen herausströmt. Das kann auch nur eine Ausstrahlung sein, da schwingt etwas, überträgt sich. Wir sprechen ja von der Wellenlänge, von den Schwingungskurven. Die Atome schwingen. Schwingung ist Leben. Sogar das Ewige Leben, vielleicht die Unendlichkeit, denn im Universum schwingt immer etwas. Wir sind, und alles, was uns umgibt ist Sternenstaub. Und schwingt. Ich kann auf einmal so vieles aus meinem Gehirn abrufen. Meine Erinnerungen stellen sich als Bewegung, Rhythmus und Klangbilder dar. Meine Wahrnehmungen sind Schwingungen. Marc lernt mehr und mehr, Menschen auf diese Weise zu erkennen. Für ihn ist der Klang eines Menschen wichtig, nicht sein optisches Erscheinungsbild. Kennt der Volksmund das nicht schon längst? Sagt der nicht, jemand tickt nicht ganz richtig? Das Metronom tickt auch. Und die Beach Boys singen von „Good Vibrations“. Vielleicht gelange ich über den Klang und seine Energie, über die Musik zu einem Glauben.

 

Sein Gesangslehrer sagte ihm am Anfang der Ausbildung so treffend auf Italienisch: „Porta la voce sul aria - Trage die Stimme auf der Luft“. Man muss den Ton mit der Luft transportieren. Das muss mit dem ganzen Körper geschehen. Mit dem ganzen Körper musst Du singen. Singen ist eine Kunst. Aber der Gesang darf nicht künstlich sein. Singen lernen heißt nicht, dass man künstlich etwas macht, sondern man muss den Ausdruck in einen natürlichen, emotionalen Zustand zurückführen, wie man ihn als Kind hatte. Als Kind schreist Du doch dauernd auf dem Spielplatz, dem Schulhof, aber wirst nie heiser. Bleibt die Stimme mal weg, dann bist Du allenfalls erkältet. Man muss den Klangreichtum immer wieder neu entdecken, auch als ausgebildeter Sänger. Dietrich Fischer-Dieskau hat einmal gesagt, als man ihn fragte, woher er die schöne hohe Kopfstimme habe: Ich habe als junger Mann die Geräusche im Wald imitiert. Das hat ihn so fasziniert. Wer geht denn heute noch in den Wald und hört zu, was da passiert? Es gibt es ein Buch von J.E. Behrendt „Nada Brahma- Die Welt ist Klang“. Ein wunderbares Werk des „Jazzpapstes“, in dem er darstellt, welchen metaphysischen Stellenwert Klang für die großen Kulturen dieser Welt hat. Er bezieht sich dabei auf Kulturen, die Tausende von Jahren älter sind als das Christentum. Aus diesem Buch bezieht Marc immer wieder grundsätzliche Denkanstösse. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass Sprache nicht unbedingt Klang braucht. Wenn ich mir die alten Stummfilme anschaue, in denen man den agitierenden Lenin sprechen sieht, dann erscheint selbst die tonloses Stimme als Machtinstrument.

 

Singen und Singen lassen. Viel zu lange wurde in der deutschen Musikszene imitiert, kopiert. In der Popmusik, beim Musical Und das meist schlecht oder es wurde eigenes Mittelmäßiges geliefert. Endlich trauen sich mal wieder Künstler und Produzenten etwas in der deutschen Popszene. Da klingt mitunter die gute alte Neue Deutsche Welle an. So sieht es Marc. Auch Marshall & Alexander stehen für etwas Neues. Wir haben uns als Popduo formiert und etabliert. Nach mehr als zwölf erfolgreichen Jahren kann man das sagen. Nichts wagen, inhaltlich und gesanglich, bloß kein Risiko, immer schön auf der sicheren Seite bleiben. Für Marc und Jay undenkbar. Das gilt auch für den Vortrag, die Performance. Viele schonen sich, trauen sich keine emphatischen Töne zu. Sie nehmen sich eher zurück, weil sie vor dem ersten Ton schon daran denken: Wie komme ich durch? Ein kluger Sänger weiß vorher, wie er durch die Partie kommt. Sicherheitssingen kennt Marc nicht. Da baue ich lieber mal ab. Auch die so gerne bemühten Eins-zu-Eins-Vergleiche, der neue…, die neuen…, die zweite…resultieren für Marc aus der gleichen Geisteshaltung. Er findet das idiotisch. Da wurde geschrieben Marshall & Alexander sind die deutschen Bocellis. Aber auch eigener Anspruch kann behindern. Man gibt zu früh auf, redet sich ein (belässt es dabei?) ich bin nicht gut genug. Das geht nicht von jetzt auf gleich, es ist ein Prozess. Man muss auch Lernen zulassen. Akzeptieren, dass ein Konzert auch mal nicht perfekt war, trotzdem aber gelungen ist. Wie sehr kann man sich quälen, wenn ein einziger Ton bei 20 Liedern daneben gegangen ist. Wie schnell verliert man die Freude. Auch im Vergleich mit Kollegen muss man sich Lockerheit gönnen und wenn es sein muss, antrainieren. Wenn man der Meinung ist, die sind nicht so gut wie ich, und machen trotzdem große Karrieren. Das muss man akzeptieren, da darf man nicht verkrampfen. Es gibt doch genug auf dieser Welt zu singen.

 

Akrobaten gehören ins Varieté. Die eigene Wahrnehmung hat nichts mit der Wirkung auf andere zu tun. Es ist sinnlos, vor dem Spiegel zu stehen. Du brauchst ein Gegenüber, dem Du Deine Seele hinschmeißt, und das sie bemerkt oder sogar auffängt. Es ist so schwer hinter die Kulissen zu hören.
Maria Callas hatte Timbre Musikalität und Ausdrucksstärke, aber auch Technik. Welche? Wie hat sie es geschafft, dass ihre Stimme sich bei „Lucia di Lammermoor“ so einzigartig mit der Flöte mischt?


Jeder, der singt öffnet sich und gibt uns etwas von sich. Das gilt es zu erkennen. Aber dazu muss man sich als Künstler öffnen, von sich etwas preisgeben, sonst kann man nicht überzeugen. Marc nennt ein simples Beispiel: Wenn man sich aus- oder umziehen soll, dann muss man zulassen, unter Umständen nackt auf der Bühne zu stehen. Man muss für diesen Augenblick jede Schamhaftigkeit vergessen. Man muss sich ganz tief aus dem Inneren heraus mit dem identifizieren, was man auf der Bühne vorhat. So kann man ein Publikum berühren. Akrobaten beeindrucken. Ich bin kein Stimmakrobat, ich empfinde mich als menschlicher Sänger. Deshalb sind ihm Mario Lanza, Franco Corelli, Fritz Wunderlich nahe, weil er auch ihre Zerbrechlichkeit im Ton ahnt oder spürt. Und das bewundert er auch. Nicht nur deren Perfektionismus. Bei Wunderlich liebe ich die Aufnahmen am meisten, in denen diese menschlichen Brüche zu spüren sind. Vielleicht weil er heiser war oder er hatte am Abend zuvor gefeiert. Und wie er dann damit umgeht, das ist das Großartige. Hören und spüren sie, darauf kommt es an. Wie hoch, wie laut wie schnell, die Koloraturen gesungen werden, das ist reine Akrobatik. Aber was eine Königin der Nacht in ihren Arien ausdrückt, das betrifft das verletzte, das eifersüchtige, das intrigante Weib.


Viele ändern ihre Stimmeinstellung, nur um die Koloraturen zu schaffen, aber die kommen dann nicht von innen heraus, sind nicht gelebt. Es geht ums Herz und nicht um Hertz. Auch ich will berühren, Gänsehaut erzeugen. Die Luft die ein Sänger strömen lässt, soll den Zuhörer streicheln. Manchmal reicht schon das bloße Erscheinen für diese Berührung. Ein alternder Sammy Davis auf der Bühne mit schon leicht gebrochener Stimme, der hat mich berührt, nur wenn er Guten Abend sagt. Marc erinnert sich an den Schauspieler Will Quadflieg. Er erlebt ihn, wie er schon hoch betagt, in Hamburg aus dem Faust rezitiert. Der kam auf die Bühne und ohne ein Wort zu sagen, hat er mich berührt. So etwas habe ich selten erlebt. Phänomenal dagegen ist die Umwandlung der Luft in die reine Klangenergie. Und dann gibt es aber auch ein Beispiel von Caruso, der eine brennende Kerze, die er vor den Mund gehalten hat, angesungen hat. Die Flamme hat sich nicht bewegt. So hatte er die Luft komprimiert und die Energie in Schall, in den Ton transformiert. Das ist keine Stimmakrobatik, das ist vielleicht die höchste Form der Berührung, das Aufheben von Aggregatszuständen. Mit den Stimmakrobaten ist das wie mit den Ballartisten, die stundenlang einen Fußball mit dem Kopf antippen, über den Rücken laufen lassen und hin- und herspitzeln. Die könnte keine Fußballmannschaft brauchen.


Wir zwei sind drei - Lovers forever? Präambel: Es gab eigentlich gar keinen Grund (So viel Dummheit muss es erst mal geben), dass sich zwei Gute zu einem Duo zusammenfinden, wo doch jeder alleine erfolgreich sein könnte, meint Marc. Aber beide fühlen, es ist die richtige Entscheidung. Beide wissen, dass dieses Duo etwas Besonderes ist. Es ist die Dritte Kraft, die wir sind, das ist das Besondere an Marshall & Alexander. Das ist mehr als die Summe seiner Teile, wie man es in der Naturwissenschaft ausdrückt. Im Duo nützt es nichts, wenn nur einer gut ist. Beide müssen sehr gut sein, man kann nicht aus zwei Halbguten eine gute Formation machen. Wir sind zwei sehr gute, die zusammen auch erfolgreich sind. Was immer ich an anderen Dingen mache, ich orientiere ich mich zuerst an der Arbeit von Marshall & Alexander.


Nach mehr als zwölf erfolgreichen Jahren Marshall & Alexander ergeben sich Fragen. Nach den Perspektiven, nach der Zeit danach, dem wie und dem wann. Nach Formationen und Variationen. Dieser Beruf ist ja voller Gefahren. In jeder Beziehung, vor allem für das eigene Ego. Wo ist das Ich? Alle die nichts davon verstehen, werfen einem vor, es geht ja nur um Dich. Aber wo bleibst Du tatsächlich am Ende? Wie finde ich zu mir zurück? In eine derartige Teamkonstellation möchte Marc nicht wieder kommen. Projektbezogen kann ich mir alles vorstellen. Ich singe gerne mit anderen Männern, mit Frauen, zu dritt… Aber wozu diese Gedankenspiele? Ich denke und handle „Duo“. Und es gäbe für mich alleine so viele Säulen auf die ich aufbauen könnte. Das sind eigene Veranstaltungen, Operninszenierungen, große Open Air Konzerte, Management, Produktion, Entwicklung von Events. Außerhalb davon könnte ich mir kaum etwas vorstellen. Vielleicht Bier zapfen und dabei mal ein Lied singen…

 

 

Hör’ Dich in Dein Paradies hinein!


…und genau das gelingt mit dem neuen Album von Marshall & Alexander PARADISUM. Zum zweiten Mal, nach „Götterfunken“, das Monate lang auf den Spitzenplätzen der deutschen Klassik-Charts lag und sich mehr als 100.000 mal verkauft hat, veröffentlicht das Duo wieder ein Album mit Musik, die mit spiritueller Kraft ins Innere, in die Seele geht.


Marshall & Alexanders setzen mit Musik und Gesang auf ihrem neuen Album PARADISUM Impulse, die jeder Zuhörer für sich, so wie er mag, nutzen kann. Die Musik von PARADISUM, in welchen Religionen, Epochen und Kulturkreisen sie auch ursprünglich entstanden ist, ist interkulturell. Die Stimmen der beiden und die Musik derer, die sie begleiten, setzen Emotionen frei, die die Zuhörer in die Leichtigkeit versetzen, die vieles erträglich und beglückend erscheinen lässt. Zu den 15 Titeln gehören auch das jüdische Jom-Kippur-Gebet der Buße und der Bitte um Vergebung „Avinu Malkeinu“ und der islamische Betgesang „Dagar Ile, Taslar Ile“ des türkischen Dichters Yunus Emre aus dem frühen 14. Jahrhundert. Sehnsucht nach dem Paradies, Neugier und Freude auf den Garten Eden oder das Elysium sind allen Menschen gleich und somit religions-, aber nicht glaubensneutral.


Über alle musikalischen Stilrichtungen und Formen hinweg - entsteht eine eigene Klang – und Gefühlswelt. Mit eigenständigen musikalischen Arrangements von geistlichen und weltlichen Liedern, Chorälen, Arien, Gebeten und Hymnen. Sie alle wurden von Richard Whilds, der sonst mit den internationalen Stars der Opernbühne Partituren einstudiert, so arrangiert, dass sie den Charakter der Stimmen von Marshall & Alexander im Zusammenklang hervorbringen. Und durch teils völlig neue Zuordnung einzelner Phrasen und Passagen entstehen Klangbilder und dadurch wiederum neue, aber dem Original stets innewohnende, Ausdrucksformen. Der Zuhörer soll das Gefühl erreichen: Da verzaubern mich 15 Lieder und bringen mich in einen Glückszustand und somit auf einen Weg in Richtung Paradies: In mein ganz eigenes Paradies, das sich zwischen Fantasie und Seele bildet.
Mehr als ein halbes Jahr lang haben sie sich auf die Einspielung vorbereitet und mit den Arrangements von Richard vertraut gemacht. Und immer wieder mit ihm geprobt.


Die Arrangements der 15 Titel sind voller Überraschungen. Da erklingt „Großer Gott wir loben Dich“ als immer stärker aufbrausender Choral, bei dem Marshall & Alexander von Chor und Orchester begleitet werden. Die Jupiter Szenen aus Gustav Holsts Suite „Die Planeten“ begleiten einen hymnischen Text des Engländers Michael Perry, der in Deutschland weitestgehend unbekannt ist, ebenfalls als mächtiger Choral. Das „Halleluja“ aus Händels Messias dagegen, ursprünglich sicher einer der klanggewaltigsten Choräle der Musikliteratur, interpretieren Marshall & Alexander zweistimmig in einer A-Cappella-Version wie eine barocke Miniatur, die den feierlichen und jubelnden Charakter von Händels Komposition behält. Zeitgenössische Adaptionen von Franz Schuberts „Ave Maria“, wie die Vertonung des englischen „Vaterunsers - The Lord’s Prayer“ durch den USFilmkomponisten Albert Hay Malotte gehören für Deutschland zu den musikalischen Raritäten, während das Lied in den USA, vor allem bei den Gedenkfeiern für die Opfer des 11. September, für Millionen von Amerikanern den innigen Wunsch nach der „Erlösung von dem Übel“ ausdrückt.


Dazu Marc: „Das Paradies ist die Utopie der Seele, Summe aller träumbaren Träume. Und Hoffnung, Freude, Belohnung, Erlösung, Heiterkeit, unbeschwerte Lust, friedvolles Miteinander. Eine bessere Welt, die niemals nachprüfbar sein wird, so sehr wir sie uns auch wünschen. Unsere Musik soll einen Weg weisen, ins Paradies! Die Möglichkeit, sich ein Paradies, einen Garten Eden, ein Elysium vorstellen zu können, ist sicher der größte Freiraum der Religionen. Es kann als fantastische Konstruktion praktische Lebenshilfe leisten. Drüben, im Paradies, im geschützten Garten, im Himmel, auf der kuscheligen Wolke, wird es besser und für immer schön sein. Paradies ist das, was ich mir vorstelle, wohin ich mich träumen kann, vorbei an Katechismen, vorbei an den Manuskripten der Prediger, raus aus der Enge der Tempel und Dome.“


Und Jay: „Wir wollen mit PARADISUM einen neuen Freiraum für Empfindungen schaffen, in dem eben Grenzen aufgehoben oder für den Moment des Empfindens außer Kraft gesetzt werden. Ich denke, dass der Versuch, eine Schwerelosigkeit im Empfinden durch unsere Musik zu erzielen, gelungen ist. Weder die eine Musik rein in die Kirchen, noch die andere drin belassen! Soll doch einfach mal der Himmel über der Natur ein Haus des Gottes sein, dem der Einzelne sich dann, wenn er PARADISUM hört, nahe fühlt. Der Dichter Jean Paul hat geschrieben Die Erinnerung ist das einzige Paradies, woraus wir nicht vertrieben werden können. Dann würde ich gerne ergänzen: Allein die Musik ermöglicht uns zu Lebzeiten, jederzeit schon mal einen Blick „rein zu werfen!“.“


Die Musik von Marshall & Alexander erzeugt oder verstärkt Stimmungen: Sie wirkt wie ein Antidepressivum in herrlichsten musikalischen Schwingungen, oder wie hymnisches Doping für die Seele. Und das in einer Zeit, da viele Menschen auf sich alleine gestellt sind und die Institutionen der Religionen und Religionsgemeinschaften so sehr mit sich selbst und ihren Krisen beschäftigt sind, dass für eine derartige Art der Seelsorge wenig Zeit und Raum bleibt.

 

 

Quelle: Oliver Scheer - s²marketing - 07.09.2010

 

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