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Matthias Reim im Interview mit Musikmarkt: "Ich bin zurück in der Bundesliga" |
Posted by admin (admin) on 17.05.2014 at 10:50 |
Matthias Reim im Interview mit Musikmarkt: "Ich bin zurück in der Bundesliga"
Matthias Reim ist wieder oben dabei (Foto: Ralph Larmann)
Matthias Reims neues Album, "Die Leichtigkeit des Seins", erscheint am 2. Mai 2014
Mit seinem Platin-Album „Unendlich“ (Electrola/Universal) ist Matthias Reim wieder in der oberen Riege der Schlagerbranche angekommen. An diesen Erfolg will er auch mit seinem neuen Werk „Die Leichtigkeit des Seins“, das am 2. Mai erscheint, anknüpfen. Im Winter geht Matthias Reim auf Tour 2014. Mit „musikmarkt“ sprach der Sänger über alte Zeiten, die „Legende“ von „Verdammt ich lieb' dich“ und seinen Wiederaufstieg in die „Bundesliga“ des Schlagers.
Bei der „Neuen Welle 2014“ hast du einen sehr lockeren Eindruck gemacht. Bist du zufrieden bei deinem Label Electrola?
Ja, total. Für mich hat sich nicht viel geändert, außer der Standort. Von mir zuhause in Baden-Württemberg fahre ich auch lieber nach München als nach Köln. Ich kenne jeden von früher. Die machen einen guten Job da.
Was für ein Gefühl war es für dich, die erste Platin-Schallplatte seit über 20 Jahren in den Händen zu halten, die du für „Unendlich“ bekommen hast?
Großartig. Ich muss zugeben, da war ich stolz auf mich. Etwas geschafft zu haben, so lange Zeit nach „Verdammt ich lieb' dich“, was keiner für möglich gehalten hätte.
Deine Charts-Performance ähnelt ein wenig einer Sanduhr. Nach dem Riesenerfolg vor gut 20 Jahren wurde es immer dünner und in den letzten Jahren wieder stetig erfolgreicher.
Stimmt, total dünn. Die 1999er Platte kam nicht einmal mehr in die Charts.
Würdest du sagen, dass du es mit „Unendlich“ endgültig wieder in die oberste Riege des Schlagers geschafft hast?
Zurück in die Bundesliga definitiv, beziehungsweise vielleicht sogar in die Champions League. Es gibt da noch zwei Damen vor mir. (lacht) Aber ich bin überglücklich über den Erfolg. Das ist unfassbar, wenn man wieder in einer Arena vor über 10.000 Leuten steht.
Was erhoffst du dir von deinem neuen Album? Ist der Erfolg von „Unendlich“ noch zu toppen?
Ich glaube, hoffen tun wir immer. Aber da bin ich bescheiden. Wenn ich das erreiche, was ich mit „Unendlich“ geschafft habe und es nicht weiter nach oben geht, dann wäre das Jammern auf hohem Niveau. Ich denke, die Verkaufszahlen erreichen wir sicherlich wieder in der Größenordnung, aber bei den Charts kannst du nie wissen. Da kann schnell jemand auf die Eins hoch schießen. Es sieht zwar schön aus, wenn man auf „Tour zum Nummer-Eins-Album“ geht, aber ich sehe das ganz entspannt.
Die Einnahmen aus CD-Verkäufen sind in den letzten zehn Jahren stark zurückgegangen. Stichwort Digitalisierung. Wie hast du diese Zeit erlebt?
Wenn ich mir die Statistik meiner Platten ansehe, ist „Unendlich“ das zweiterfolgreichste Album meines Lebens. Wenn ich aber die Stückzahlen anschaue, sind das vielleicht 20 Prozent gegenüber 1990, wenn überhaupt. Die Auswirkungen sieht man ja am besten daran, wie viele Platten man damals für Platin verkaufen musste, und wie viele heute.
Was, denkst du, ist der Grund dafür, dass die Bereitschaft gesunken ist, für Musik zu zahlen?
Die Bereitschaft hat sich nicht großartig geändert. Die Möglichkeiten, Musik zu kopieren, zu vervielfachen, sind nur heutzutage riesig. Früher musste man sich eine Platte auf Kassette kopieren, dann war aber die Qualität schlecht. Heute ist das kein Problem mehr. Ich hätte das früher, als ich Schüler war und kein Geld hatte, auch gemacht. Aber die CD ist trotzdem noch das „Vehikel“, das die Leute ins Konzert befördert. Und dafür mache ich Musik. Es ist natürlich auch schön, im Studio kreativ zu sein. Momentan produziere ich für Norman Langen und für noch eine Nachwuchskünstlerin. Ich habe heuer noch 40 Songs auf dem Plan.
Das Thema „Verflossene Liebe“ zieht sich wie ein roter Faden durch dein neues Album. Handelt es sich um eine ganz spezielle Frau?
Nein, es ist nicht autobiographisch. Klar, ich habe ein harte Trennung hinter mir. Ich lebe. Man verarbeitet vieles. Es gibt generell für mich kaum ein anderes Thema in der Musik als die Liebe. Die Liebe ist unvernünftig, rein emotional und nicht messbar, nicht bewertbar. Das macht mir Spaß und man erklärt sich, aber zugleich spricht man anderen Männern und Frauen aus der Seele. Wenn ich über Trennung schreibe, bin ich selbstverständlich beeinflusst.
Hast du für „Die Leichtigkeit des Seins“ alles selbst komponiert und getextet?
Ich schreibe mit meinem Partner Joachim Horn. Wir verstehen uns sehr gut, die Arbeit mit ihm macht Spaß. Manchmal lasse ich mich auch von meinem Sohn inspirieren, der auf einmal mit Nine Inch Nails um die Ecke kommt. Er spielt auf der Gitarre manchmal etwas richtig Geiles, und dann wird auch schon mal ein Song daraus.
Auf dem Album hört man auch viele verschiedene Musikeinflüsse. Manchmal Country, Rockeinflüsse sowieso. Bei „Was für'n Gefühl“ erinnern die Glocken im Intro gleich an AC/DC's „Hells Bells“.
Ja, da ist alles drin. „Was für'n Gefühl“ habe ich geschrieben, nachdem ich „Django Unchained“ im Kino gesehen hatte, die Filmmusik fand ich großartig. Ich packe so etwas gerne in den sogenannten deutschen Schlager. Es geht einfach darum, Atmosphäre zu schaffen.
Stimmt es, dass du „Verdammt ich lieb' dich“ gar nicht mit der Intention geschrieben hast, den Titel selbst zu singen?
Das ist eine Legende: Ich habe mich in den 80ern als Sänger versucht und war damit so unerfolgreich, dass ich das schnell abgehakt habe. Als Songwriter hatte ich dann ein stabiles Einkommen, mit dem ich mir mein Auto leisten und ein Reihenhäuschen abbezahlen konnte. In diesen Dimensionen habe ich damals gedacht. Dass ich mal Rockstar werden würde, hatte ich nicht geplant. Wenn ich Zeit hatte, schrieb ich auch Songs, die ich persönlich machen würde und die ich dann anderen angeboten habe. Bei „Verdammt ich lieb' dich“ sagte allerdings mein Co-Produzent, ich solle es nicht abgeben, das könne niemand anderes singen, ich solle das probieren. Die Plattenfirma hat eingewilligt, ohne wirklich daran zu glauben. Die Produktion machte uns das umsonst. Und dann wurde das so ein Ding, für das ich heute noch dankbar bin, unfassbar, was da auf den Konzerten abgeht bei diesem Song, auch heute noch.
Du hast während deines Studiums schon Musik produziert. Gab es da für dich als Lehrerkind nicht auch einmal von Papa auf den Deckel nach dem Motto: „Junge, mach was g'scheites!“
Na klar. Er hat mir immer mein Konto ausgeglichen. (lacht) Er sagte dann immer: „Sag das nicht deiner Mutter, dass ich schon wieder hier bin und dich rette.“ Er wollte natürlich, dass ich mein Studium mache, weil eine erfolgreiche Karriere als Musiker eben sehr unwahrscheinlich war. Er konnte mir ja nicht ein Leben lang unter die Arme greifen. Das habe ich auch verstanden und ihm recht gegeben. Als es dann losging mit der Karriere, war er der stolzeste Papa der Welt – und ist es heute noch.
Letztes Jahr feierte die Kassette 50. Geburtstag. An Kassetten hast du bestimmt auch gute Erinnerungen. Stimmt es, dass du „Verdammt ich lieb' dich“ auf Kassette an Wim Thoelke geschickt hast?
Nicht ganz, ich habe die Kassette an Bernhard Brink geschickt, für den ich damals geschrieben und produziert habe. Der wiederum hatte zufällig den damaligen Chefredakteur der ZDF-Hitparade und von „Der große Preis“ mit Wim Thoelke im Porsche sitzen und hat ihm die Kassette vorgespielt. Der hat mich dann später angerufen und gesagt: „Du bist beim nächsten 'Großen Preis' dabei und eine Woche später in der Hitparade.“ Daraufhin habe ich meine Plattenfirma angerufen und denen erzählt, dass ich die beiden Shows klargemacht habe. Die haben gedacht, ich will sie auf den Arm nehmen. Was die nicht geschafft haben, habe ich mit einem Anruf hinbekommen. (lacht) Das ist die ganze Geschichte, danach ging das durch die Decke.
Heutzutage stellt man ein Video auf YouTube und bei einer Million Klicks ist es ein Hit.
Richtig – wenn man Glück hat. Aber das Glück haben unter vielen Millionen nur wenige.
Eine Million Klicks hat beispielsweise auch dein Werbeclip für „Sixt“, in dem du selbstironisch „Verdammt ich hab' nix“ singst. Andere Künstler, die so ein Bankrott trifft, schweigen dieses Thema tot, du entgegnest dem mit Humor. Ist das deiner positiven Einstellung geschuldet?
Das ist Therapie. In den Medien wirst du da niedergeschrieben. „Der singende Pleitegeier von Mallorca“ und solche Sachen. Und die Werbung war zu einer Zeit, da ging es wieder bergauf. Aber das haben die Medien, vor allem die „Yellow Press“, bewusst ignoriert. Da bekam ich schon wieder goldene Platten und hatte wieder 1500 Leute in den Hallen. Das passte aber nicht in das Bild, das die haben wollten: Schlagersänger, doof, blond und klischeehaft abgestürzt. Das war im übrigen die Grundhaltung der Medien zum deutschen Schlager im Allgemeinen. Damals hätte niemals jemand gedacht, dass so etwas, was gerade mit Helene Fischer passiert, überhaupt möglich wäre.
Als Schlagerstar mit einer Single auf Platz drei der Charts zu landen ist schon beachtlich.
Ja, und wir stehen dann auch alle da und fragen uns: Was löst diese Hysterie im Land aus? Das war mit Wolfgang Petry lange Zeit nichts anderes. Der hat ganze Stadien gefüllt mit „Bronze, Silber und Gold“. Ich hätte ehrlich gesagt ein wenig Angst vor einem Hype um mich. Das, was ich mir jetzt wieder erarbeitet habe, ist stabil. Was gibt es nach einem so enormen Höhenflug noch? Es kann nur wieder bergab gehen.
Im Netz findet man allerlei Theorien darüber, warum dein Erfolg Ende der 90er ausblieb. Unter anderem heißt es, du hättest dich von deinem Publikum entfernt, weil du nach Amerika gezogen bist. Was sagst du dazu?
Nein, ich fürchte ich wäre genauso untergegangen, wenn ich in Deutschland gelebt hätte. Ich glaube nicht, dass das eine Rolle gespielt hat. Howard Carpendale hat in Florida in seiner Villa gelebt, kam hier her und machte die größten Tourneen seines Lebens. Ich glaube, das ist den Leuten total egal, wo du wohnst. Alles hat eben seine Zeit. Klar, man sucht immer die Gründe. Nach einem Erfolg wie von „Verdammt ich lieb' dich“ ist es einfach schwierig. Du sollst Songs schreiben und schreibst eben, was dir einfällt. Nein – der Hauptgrund für den Niedergang war wohl: Ich hatte eigentlich nichts mehr zu erzählen. Der Erfolg kam jetzt wieder, als ich wieder was zu erzählen hatte, als ich gelebt hatte.
„Zauberland“ hast du in Kanada als englische Version veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Ach, ich wollte einfach Weltstar werden. (lacht) Nein, meine Freunde dort konnten meine Musik natürlich nicht verstehen, zumindest die Texte, dann dachte ich mir, ich probiere es mal. Dann saß ich bei der amerikanischen Universal neben den Bee Gees und Lionel Richie, der seinen neuen Song „Hello“ vorgespielt hat, das war schon beeindruckend. Naja, hat aber nicht funktioniert.
Vor einigen Jahren gab es noch nicht so viele Solo-Tourneen von Schlagerstars, wie das heute der Fall ist. Da gab es die „Schlagerstarparaden“, bei denen alle aufgetreten sind. Wie hast du diesen Weg hin zu wieder mehr Solo-Tourneen erlebt?
Da bin ich eine Ausnahme. Ich bin erst seit einem Jahr bei den „Schlagerstarparaden“ dabei, und das mache ich deshalb, weil ich damit ein neues anderes Publikum erreiche. Ich musste das auch erst lernen, 20 Minuten zu nutzen, um ein richtiges "Mini-Konzert" zu geben. Außerdem muss ich auch Geld verdienen, und ich bin wieder in einer Position, in der ich höllisch gut bezahlt werde für 20 Minuten, das darf man fast nicht laut sagen. Aber ich schulde meinem Bruder noch Geld aus der Insolvenz heraus, ist jetzt fast abbezahlt, war schließlich eine teure Pleite. (lacht)
Bei deinen Konzerten sind immer mehr junge Leute. Was denkst du, woran liegt es, dass jüngere Menschen wieder Schlager-affiner werden?
Ich glaube, weil sie es für sich entdecken, weil sie Spaß daran haben und weil es durch die Medien nicht mehr uncool gemacht wird. Den Leuten hier hat schon immer deutsche Musik Spaß gemacht. Aber es gab eben Generationen, die sich nicht getraut haben, das zu sagen, weil sie sofort als reaktionär, spießig und völlig verblödet abgestempelt wurden. Das ging wirklich von den Medien aus, vor allem vom Radio. „Deutsche Musik ist scheiße“, wer das am lautesten gesagt hat, war der coolste Moderator Deutschlands. Man verneigte sich in kritikloser Ehrfurcht vor allem, was aus dem Ausland kam.
Wie kam es, dass du dich mit der DDR-Musik intensiv beschäftigt hast? Du coverst ja auch auf der Bühne viele DDR-Künstler.
Weil ich viel in den neuen Bundesländern gespielt habe, auf einem Festival spielte auch Karat und das fand ich richtig geil. Mein Comeback entstand auch in Sachsen und Brandenburg, da wurden meine Konzerte plötzlich zu Events. Wenn ich damals in Frankfurt 700 Leute beim Konzert hatte, hatte ich in Frankfurt an der Oder 3000, in Dresden kamen 7000 Leute, und in Stuttgart dann wieder 700.
Im November geht es für dich wieder auf Tour.
Genau, und im Sommer stehen Open Airs an. Auch wieder viele in den neuen Bundesländern.
Vielen Dank für das Gespräch!
Autor: Michael Nützel
Quelle: Musikmarkt - 30.04.2014
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