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Michael Wendler im Interview mit Musikmarkt: "Schlager boomt gerade unglaublich!" |
Posted by admin (admin) on 07.06.2011 at 09:05 |
Michael Wendler im Interview mit Musikmarkt: "Schlager boomt gerade unglaublich!"
Michael Wendler hat neben seinem neuen Studioalbum wieder ein TV-Format am Start (Foto: Manfred Esser)
Für "Der Wendler sucht den Schlagergott" hat sich der Dinslakener zum Nachwuchsförderer aufgeschwungen (Foto: Manfred Esser)
Schlagerfans können sich mit dem neuen Album von Michael Wendler ein wahres "Donnerwetter" (Ariola/Sony Music) ins Haus holen. "Musikmarkt" sprach mit dem selbsternannten "König des Pop-Schlagers" über Markentreue, seine Castingsoap und sein Image.
Auf dem neuen Album "Donnerwetter" gibt es wieder eine geballte Ladung Discofox. Ausflüge in andere Genres sind aber tabu für den Wendler, oder?
Ich sage immer, Markentreue ist unglaublich wichtig. Man kann doch nicht unglaublich viel Zeit darauf verwenden, ein Image aufzubauen, um dann seine Fans nach einem Jahr verrückt zu machen, indem man sagt: "Hey, ich muss mich jetzt neu finden, ich muss jetzt was total anderes machen." Das verwirrt nur, und deswegen bleibe ich meiner Musikrichtung natürlich treu. Ich schreibe meine Songs ja selber, da steckt also viel Authentizität drin. Ich kann mich da nicht um 180 Grad verbiegen. Ich glaube, man kann das nur, wenn man ausschließlich Künstler oder Sänger ist und andere Leute die Stücke schreiben. Dann redet man immer nach dem Mund der Autoren. Wenn man gerade einen hat, der gerne Rocksongs komponiert, sagt man: "Ich stehe jetzt mehr auf Rock, finde ich total geil." Hat man einen Autor, der konservativer, ruhiger oder balladiger zu Werke geht, sagt man: "Ich habe jetzt eine balladige Phase." Aber ich habe immer nur die Phase, die ich habe. Ich bin der Wendler und bleibe meinem Stil treu.
Schadet ja auch nicht…
Nein, vor allen Dingen, weil es in diesem Bereich so viele Fans gibt. Es ist so wichtig, weiterhin für die Fans da zu sein, die man über die Jahre gewonnen hat. Mal läuft es besser, mal läuft es schlechter. Mal hat man auch Phasen, in denen man ein Album schreibt mit 14 Titeln, über das man aber sagt: "Ich habe ein sensationelles Album geschrieben, ist leider nur kein Hit drauf." Und mal läuft es besser – wie jetzt z.B.: Da hält man dieses Album in den Händen und sagt: "Wow, ist das ein hübsches Baby geworden! Hat blaue Augen, ist kerngesund und sieht richtig gut aus."
Darauf zu hören ist auch die Fortsetzung von "Sie liebt den DJ"…
Ja, aber es gibt drei spektakuläre Sachen auf dem Album. Drei Ereignisse haben dieses Album unglaublich geprägt. Erst mal war ich bei Stefan Raab in der Sendung "TV Total" und Stefan hat mich gefragt: "Mich, sag' mal, du schreibst deine Titel ja selber, wie ist das denn so? Könntest du hier und jetzt spontan einen Song schreiben?" Und das habe ich dann gemacht. "Donnerwetter" ist dabei herausgekommen. Es ist live im Studio bei Stefan entstanden. Er hat sogar mitkomponiert und mitgetextet. "Donnerwetter" ist dann auch zum Motto des Albums geworden. Dann stand eines Tages Cindy aus Marzahn mit Kamerateam vor meiner Haustür – ganz überraschend, ohne angemeldet zu sein. Ich habe leider aufgemacht und dabei erfahren, dass sie Sängerin werden will. Sie hat mich als ihre letzte Rettung gefragt, ob ich ihr nicht einen Titel schreiben könnte. Sie hatte für ihre neue Staffel "Cindy aus Marzahn und die jungen Wilden" einen Gesangspart geplant und mit mehreren anderen Künstlern gesungen, u.a. mit Sido und Semino Rossi. Aber diese Musikrichtungen waren nichts für sie, weswegen sie gedacht hat: Vielleicht kann der Wendler helfen. Der Song, den ich ihr geschrieben habe, heißt "Wir sind Tänzer".
Aber ich habe Sie doch nach dem zweiten Teil von "Sie liebt den DJ" gefragt…
Genau – sie liebt ihn immer noch! Bei dem Titel habe ich mich sehr geziert. Meine Fans haben mir immer wieder gesagt: "Schreib' doch noch mal so einen Titel wie 'Sie liebt den DJ'." Oder: "Schreib' doch mal 'Sie liebt die DJane'." Das war der Wunsch vieler Frauen, es gibt ja auch viele weibliche Disc Jockeys. "Sie liebt den DGay" war die Bitte von vielen homosexuellen DJs. Das habe ich immer wieder gehört, aber irgendwie habe ich mich geziert, weil ich fand, dass man so einen Hit nicht wiederholen kann. Ich wollte einfach was neues und was anderes machen, als mich im Kreis zu drehen und auf meinem "One Hit Wonder" herumzureiten. Nun hatte ich in der Zwischenzeit sehr viele andere starke Songs wie "Nina" und "180 Grad". Ich glaube, nach sechs Jahren ist genug Zeit vergangen und man kann sagen: "Probieren wir es mal!" Das habe ich gemacht und dabei ist wahrscheinlich der stärkste Titel des Albums rausgekommen.
Wie schreiben Sie Ihre Songs eigentlich? Am Klavier?
Nein, überhaupt nicht. Das funktioniert ohne Musikinstrumente bei mir. Ich habe als erstes eine Hook oder eine Art Slogan im Kopf. Das wird dann der Songtitel. Wenn man mir z.B. ein Wort wie "Sturmflut" vor die Füße schmeißt, dann kommt mir sofort der Text und der Ablauf des Songs in den Sinn. Ich nehme dann ein Diktiergerät und versuche das umzusetzen. Erstmal mit völlig belanglosen, zusammengesetzten Wörtern, die keinen Sinn ergeben. Das ist so ein Englisch oder "Weidlich", das ist kaum nachzuvollziehen, aber so kann man am besten texten, und danach wird auf dieser Grundlage der Songtext geschrieben. Dann geht es ab ins Tonstudio.
Und wenn man Glück hat, entsteht ein guter Titel.
Ja, wobei: Manchmal ist man total überzeugt vom Song, man geht voller Euphorie ins Tonstudio, aber am Ende kommt wirklich Schrott dabei raus. Und gerade die Songs, an die man nicht glaubt, funktionieren dann auf einmal. Es gibt niemanden in der Musik – auch wenn ich das immer gerne für mich behaupte – der weiß, wie man Hits macht, oder der weiß, wie man Erfolg hat, mit dem, was man macht. Denn die Menschen da draußen urteilen immer selber für sich. Es muss natürlich massenkompatibel sein. Man kann den Weg bereiten, das auf jeden Fall. Man kann kommerziell arbeiten, aber alles andere kann man nicht vorhersehen.
Aktuell sind Sie wieder im Fernsehen präsent – Sie suchen den "Schlagergott"…
Mir lag es als Künstler schon immer ganz besonders am Herzen, den Schlagernachwuchs zu fördern. In der letzten Zeit war ich aber immer extrem mit mir selbst beschäftigt, weil ein Zufall den nächsten jagte – Sie haben es ja verfolgt in der Vergangenheit, wie turbulent es um meine Person medial zuging. Aber jetzt konnte ich endlich meinen großen Traum, meine Konzeptidee von einer Castingshow für deutschen Schlager verwirklichen. RTL fand diese Idee so klasse, dass ab 6. Juni jeden Tag auf RTL meine neue Castingshow "Der Wendler sucht den Schlagergott" läuft. Dafür haben wir 20.000 Bewerbungen aus ganz Deutschland bekommen – über die neuen Medien, über Facebook und über Amazon. Man konnte uns Videoclips schicken, man konnte uns sein Gesangstalent vortragen, und wir haben aus diesen Bewerbungen wirklich die seriösesten und besten rausgesucht. Mir ging es nicht darum, eine Sendung interessant gestalten zu lassen, indem man möglichst viele trashige Leute auflaufen lässt und sich dann über die lustig macht. Mir ging es darum, seriös den neuen deutschen Schlagergott zu finden, ihn auch aufzubauen und zu unterstützen, damit er eine Lücke in diesem Bereich besetzt. Das ist etwas, was die großen Labels in den letzten Jahren nicht mehr richtig hingekriegt haben. Obwohl der Schlager gerade unglaublich boomt. Das kann man sich gar nicht vorstellen, was hier abgeht in dieser Branche! Es wird höchste Zeit, dass man auch wieder was Neues in der Schublade hat. Ich glaube, wenn man das Repertoire verjüngt – und unsere Kandidaten waren alle unter 30 Jahre – dann bringen diese Künstler eine ganz neue Fanstruktur mit. Fans, die dementsprechend jünger sind. Natürlich ist es schöner, keine Mumien vor der Bühne stehen zu haben, sondern junge Leute, die sich für Schlager interessieren. Wir müssen dieses typische Presseklischee widerlegen: Man hat doch eigentlich immer nur Bilder vom Schlager im Kopf mit irgendwelchen hässlichen Mumien. Das ist genau das, wofür der Wendler nicht steht. Ich habe immer gesagt: Ich bin die Verkörperung des modernen jungen Popschlagers der neuen Generation. Deswegen war es mir immer so wichtig, die Bilder meiner Konzerte so oft wie möglich zu zeigen, damit die Leute sehen, dass Schlager nicht altmodisch und eingestaubt sein muss. Na ja, wir haben auf jeden Fall aus den vielen Bewerbungen unsere Favoriten ausgewählt und die mussten einiges mitmachen. Bis zum Schlagergott war es ein langer Weg, aber wir haben ihn gefunden.
Sie haben gerade angesprochen, dass der Schlager unheimlich boomt. Woran genau machen Sie das fest? Denn ein Gegenargument wäre ja, dass die Präsentationsflächen für Schlager und Volksmusik im Fernsehen und Radio immer mehr zurückgehen.
Richtig. Ich glaube, das liegt daran, dass dem Schlager ein Negativimage anlastet. Ich bin froh, dass Produzenten und Rädelsführer wie Dieter Bohlen, dessen Meinung in der Branche unglaublich wichtig ist, sich für den deutschen Schlager stark machen. Man sieht das ja bei Imagepersönlichkeiten wie Cindy aus Marzahn oder Stefan Raab. Wenn die sich für den Schlager stark machen, dass sich dann viele wie eine Fahne im Wind drehen und sich auch positiv für den Schlager aussprechen.
Vergangenes Jahr waren Sie mit der Reality-Doku "Der Wendler-Clan" im TV zu sehen. Wie sehr hat diese Sendung ihr Leben und das Leben ihrer Familie verändert? Und ist vielleicht auch eine Fortsetzung geplant?
Ich kann Ihnen sagen: Nach dieser Sendung war nichts mehr wie vorher. Es hat mich irre bekannt gemacht in ganz Deutschland. Es wäre ein Riesenfehler gewesen, trotz der großen Kritik, die es zu dieser Sendung gab, das Ding abzulehnen. Ich habe es nie bereut. Es war eine superschöne Erfahrung. Ein Jahr lang haben wir gedreht für diese sechs Stunden Sendung, was schon sehr aufwendig war. Und Sie können sich vorstellen, es ging schon sehr ins Private – das verinnerlichen Sie dann auch. Ihr Privatleben wird erheblich gestört, das ist ein massiver Eingriff. Eine Fortsetzung würden also wir nicht machen, außerdem ist dafür auch keine Zeit.
Sie haben als Künstler ein klar definiertes Image. Wie wichtig ist es für einen Künstler, eine klar umrissene Marke zu sein?
Eine Marke verinnerliche ich immer mit einem Willen oder einer Vorstellung, wohin die Reise geht. Ich glaube, das ist überhaupt das Wichtigste: Persönlichkeit zu haben, sich nicht wie eine Fahne im Wind hin und her zu bewegen und den anderen immer nach dem Mund zu reden. So war ich nie. Es hat mir zwar immer höchste Probleme eingebracht, dass ich immer das gesagt habe, was ich gedacht habe. Aber irgendwann – und das macht sich jetzt oftmals schon bemerkbar – kommt mir das zugute, denn die Leute können mich einschätzen. Mein Gegenüber weiß genau, ob ich es mag oder nicht mag. Die Leute wissen genau, was ich will und wofür ich stehe. Und das ist das Wichtige. Wenn in einem Freundeskreis einer immer nur lacht, wenn Sie Witze erzählen, aber selber nie was beiträgt, können den Typ gar nicht einschätzen. Das habe ich nie gemacht. Ich habe den Menschen da draußen immer gezeigt, mit wem sie es zu tun haben. Dafür gab es oftmals Kritik, auch gerade wenn ich meine Meinung zu Kollegen oder zur ganzen Schlagerszene deutlich gemacht habe. Das hat mir sehr viele Probleme eingebracht: Ich wurde boykottiert und nicht mehr in Sendungen eingeladen. Viele Künstlerkollegen haben mich mit dem Arsch nicht mehr angeguckt. Da muss man stark und stur genug sein, um das durchzuziehen. Das habe ich gemacht, ich stehe immer noch. Bei dem ganzen Gegenwind wäre jeder andere Künstler mit einem schwächeren Gemüt wahrscheinlich schon weg vom Fenster.
Autor: Lothar Gerber
Quelle: Musikmarkt - 06.06.2011
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