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Musikmarkt im Interview mit Roland Bless (Ex-Pur): "Ich kann wieder auf die Fans zugehen"

Posted by admin (admin) on 16.03.2011 at 22:34
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Musikmarkt im Interview mit Roland Bless (Ex-Pur): "Ich kann wieder auf die Fans zugehen" 

 


Roland Bless gibt sich auf "Zurück zu Euch" eine Spur kantiger als seine ehemaligen Kollegen von Pur (Foto: Murat Aslan) 
 

 

 

 

Roland Bless (r.) mit Redakteur Lothar Gerber im "Musikmarkt"-Hauptquartier (Foto: Franca Barthel)

 

 


München - Am sonnigen 1. März verschlug es Roland Bless ins "Musikmarkt"-Headquarter am Münchner Waldfriedhof. Der ehemalige Pur-Musiker sprach unter anderem über sein erstes Soloalbum, "Zurück zu Euch", das er am 11. März via Polydor / Universal auf den Markt bringt. Weitere Themen waren die Pläne für seine anstehende Live-Aktivitäten und die Trennung von Pur.


Roland, Du hast ja früher Pur gemanagt, bist Du heute Dein eigener Manager?
Es macht mir nach wie vor Spaß, aber aufgrund der Intensität mit der Plattenveröffentlichung ist es einfach nicht möglich. Es ergeben sich jetzt sehr viele Dinge, die kann man alleine nicht mehr bewältigen. Aber ich habe eine sehr gute Plattenfirma, die Polydor, und ich habe Hans Stratmann in Bielefeld, mit dem ich bei den Konzerten zusammenarbeite. So kommen wir ganz gut voran.


Den Titel Deiner Platte, "Zurück zu Euch", kann man ja so interpretieren, dass Du die Platte extra für die Fans gemacht hast…
Nach all den Jahren des Erfolges überlegt man sich, was die schönsten Jahre waren, und für mich persönlich waren das die Jahre die von "Seiltänzertraum" und "Abenteuerland", als es darum ging, mit geeinten Kräften auf ein Ziel hinzuwirken und gemeinsam diesen Traum mit Leben zu füllen, von der Musik zu leben. In der Band herrschte Aufbruchsstimmung und Zusammenhalt. Wir haben in Stuttgart endlich die Liederhalle mit 3500 Menschen voll machen können, im bayerischen Zapfendorf haben wir vor 80 Leuten gespielt – und es war beides gut, es war alles schön, es war einfach Abenteuer. Und es war ein unglaublich schönes Gemeinschaftsgefühl in der Band. Das waren für mich die prägendsten Jahre, es waren die Zeiten, die bei mir Spuren hinterlassen haben.


Warum?
Wir waren noch nahe am Fan, haben nach dem Konzert Autogramme unterschrieben und mit den Leuten darüber gequatscht, was ihnen gefallen hat, was ihnen am Herzen liegt. So haben wir das auch früher in der Schulzeit gelebt. Für uns war es damals wichtig, Musik als Medium zu begreifen, das einen irgendwie ein bisschen herausnimmt aus diesem Alltagstrott. Wie wollten nie so spießbürgerlich sein wie die Eltern. Wir wollten woanders hingehen. Und Musik war schon immer ein verbindendes Element. Wir haben ein paar Mädels mitgenommen, sind mit den Mofas zum Ententeich gefahren, hatten die Klampfen dabei – und die Musik war eine Möglichkeit, sich auszudrücken und eine Verbindung herzustellen. Die Erfolge mit Pur waren großartig und eine tolle Erfahrung. Da hat sich ein großer Traum erfüllt und dennoch muss ich sagen, jetzt nach der Trennung von Pur bin ich sehr dankbar und sehr glücklich, dass ich diesen Ozeandampfer verlassen habe und mit dem Beiboot kleinere Inseln ansteuern kann.


Das heißt…?
Ich kann auch wieder auf die Fans zugehen. Ich habe vor, im Herbst in kleineren Clubs zu spielen und wieder für die Menschen da zu sein. Nun hatte ich musikalisch die Möglichkeit, mich selbst und meine Lebensgeschichte in die Musik und die Texte zu packen. Ich möchte da weitermachen, wo Pur für mich am schönsten war, bei "Seiltänzertraum" und "Abenteuerland". Da war die Band irgendwie noch bodenständig und sehr nahbar, greifbar.


Das hört sich so an, als ob bei Pur zuletzt eher eine – sagen wir – geschäftliche Atmosphäre geherrscht hätte.
Von den Fans beklagen sich viele, dass Pur nicht mehr so authentisch sind, dass Pur als Gemeinschaft nicht mehr so rüberkommt. Die machen jetzt noch ihre Musik zusammen und gehen auf Tour. Ich wünsche ihnen viel Glück dabei. Für mich hat es schon seit Jahren nicht mehr gepasst. Da war diese Songschreiber-Phalanx da von Hartmut Engler und Ingo Reidl, die es einem schwer gemacht hat, eigene Ideen unterzubringen. Abseits von Pur eigene Songs mit deutschen Texten aufzuführen, das war Tabu, das war nicht möglich. So gab es Unzufriedenheiten auf beiden Seiten und so war es das Beste, sich voneinander zu distanzieren und zu sagen, dieser gemeinsame Weg hat ein Ende.


Du hast die Tour schon erwähnt. Die Shows steigen eher in kleineren Locations?
Es teilt sich auf. Damit die kleineren Locations funktionieren, muss ein bisschen für Werbung gesorgt werden. Deswegen spiele ich jetzt im Sommer auch große Open Airs in Deutschland, zum Beispiel mit Unheilig, Ich & Ich und Juli in Papenburg auf dem "Werftfestival" sowie Shows mit James Blunt. Aber trotzdem will ich dem Motto "Zurück zu Euch" gerecht werden im Herbst Konzerte in Clubs und kleineren Hallen spielen.


Was uns als Branchenmagazin interessiert, wäre natürlich mit welcher Konzertagentur die Tour realisiert wird. Steht das schon fest?
Die Konzerte mache ich mit Hans Stratmann zusammen. Das ist eine Gemeinschaftsproduktion. Früher habe ich das ja bei Pur mit Live Act Music gemacht. Heute ist es alleine nicht zu machen. Das macht mir Spaß, weil ich auch schon immer das verbindende Element zwischen Medien, Veranstaltern, Sponsoren und der Band war. Es gehört eigentlich auch zum Musikmachen dazu. Ich bin nicht so ein vergeistigter Musiker.


Schön, dass Du Dir diese Do-It-Yourself-Attitüde bewahrt hast.
Ich finde das wichtig. Es ist natürlich auch eine schöne Erfahrung, mit drei, vier Bodyguards irgendwo einzulaufen. Das macht einen unglaublich wichtigen Eindruck, aber es ist auch schön, einfach als normaler Mensch die Dinge angehen zu können und bodenständig zu bleiben. Das war der Zauber, der Pur zum Erfolg verholfen hat: Wir nicht keinen Riesentross mit Stretchlimos und Management. Wir waren so eine schwäbische, nahbare Boygroup.


Auf Tour willst Du deinen Fans auch optisch etwas bieten. Erzähl doch mal, was Du vorhast.
Wir haben verschiedene Konzepte. Ganz wichtig ist mir natürlich auch mein Ticket-Preisgefüge: Ich möchte zwingend unter 30 Euro bleiben, so um die 25 Euro. Es ist unfair den Menschen gegenüber, Ticketpreise von 80 bis 100 Euro zu erheben, dass sich die Karten vielleicht nur noch die Hardcore-Fans holen und die breite Masse nicht mehr. Deswegen möchte ich die kleineren Venues spielen und auch für Familien erreichbar sein. Wenn es auch ein Familienkonzert sein soll, kannst du nicht über 50 Euro verlangen. Das für mich allerdings fast schon finanzielles Harakiri, deswegen suche ich auch gerade Sponsoren, sonst geht der Schuss nach hinten los. Aber das ist mein Risiko und das werde ich tragen. Optisch habe ich vor, Videoprojektionen, eine Art Lasershow und eine Wasserleinwand einzubauen. Ich will das Gänsehautfeeling, das durch die Texte und die Musik entsteht, noch unterstützen durch die optischen Beiträge. Wir haben das schon getestet, und es kommt auch tierisch an.


Bist Du bei Deiner Sponsorensuche schon fündig geworden?
Nein, noch nicht. Es sind noch alle willkommen. In der momentanen wirtschaftlichen Lage ist es sehr schwierig, gerade im Entertainmentbereich, etwas zu finden. Ich weiß von vielen Künstlern, die sich alle sehr, sehr schwer tun. Wirtschaftlich geht es langsam wieder bergauf, aber die Kassen sind noch nicht so vollgespült, dass man schon für die Unterhaltung der Menschen Geld ausgeben würde.


Du hast vergangenes Jahr auf dem Kirchentag gespielt. Selbst christliche Popmusik zu machen kommt für Dich aber nicht in Frage?
Auf diesem Album sind Stücke drauf, die schon sehr in diese Richtung tendieren. Damals bei Purs "Was ist passiert?"-Tour im Jahr 2003 haben sich die Machtverhältnisse deutlich verändert. Wir hatten eine Bühne in Form eines Pfeils, ganz vorne stand der Sänger, rechts und links in einigem Abstand Bassist und Gitarrist, und die restlichen sechs Musiker waren zwölf bis 15 Meter vom Publikum entfernt. Wir haben gar nicht mehr so richtig mitgekriegt, wie die Reaktion von Publikum ist. Wir waren quasi unter uns und haben unsere Arbeit getan. Nach einem Konzert kamen die Fans und auch der Veranstalter auf mich zu und fragten: "Ist das jetzt eigentlich nur noch eine One-Man-Show? Wo ist denn da die Band geblieben?" Bei einer Show sollte ich mit der Band noch an die Hotelbar, ich habe aber verneint und bin auf mein Zimmer, habe Teelichter angezündet, meine Gitarre genommen und bis morgens um 6.30 Uhr gespielt. Mir flogen die Zeilen nur so zu. Auf dem Album gibt es den Song "Lass’ mich jetzt nicht allein, trag’ mich fort von hier". Damit meine ich diese Sehnsucht, dass da hoffentlich irgendwas über mir ist, das mir hilft aus der Situation heraus, wieder zu mir selbst zu finden, meinen Weg zu sehen. In dieser Nacht reifte in mir der Entschluss, etwas Eigenes aufzubauen, was in den darauf folgenden Jahren für Probleme sorgte.


Fühlen sich die restlichen Pur-Mitglieder neben Hartmut Engler und Ingo Reidl noch wohl in der Band?
Es ist mit Sicherheit nicht mehr so wie in den Anfangsjahren. Ob sie Spaß haben? Wir haben momentan keinen Kontakt. Pur und ich hatten relativ viel zu tun. Ich wünsche ihnen alles Gute für die weitere Zukunft. Für mich ist das eine endgültige Sache mit Pur. Ich habe jetzt meinen Spaß, bin ein ganz anderer Mensch, habe meine Mitte wieder gefunden.

 

Autor: Lothar Gerber
Quelle: Musikmarkt - 09.03.2011

 

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