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Roger Cicero im Interview mit Musikmarkt: "Wesentlich persönlicher"

Posted by admin (admin) on 26.11.2011 at 08:55
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Roger Cicero im Interview mit Musikmarkt: "Wesentlich persönlicher"


Roger Ciceros viertes Soloalbum ist auch sein persönlichstes

 

 

Beim Videodreh zu ersten Single in New York (Fotos: Mathias Bothor)

 

 

Roger Ciceros neues Album ist draußen. "In diesem Moment" klingt modern, die Texte sind persönlicher geworden. Eine Abkehr vom Swing ist es dennoch nicht, zumal die Band mit Ausnahme des musikalischen Leiters Lutz Krajenski dieselbe geblieben ist. "In diesem Moment" ist die mittlerweile vierte Zusammenarbeit des Dream-Teams um Roger Cicero, Starwatch und Warner Music. Und Roger Cicero fühlt sich allmählich komplett.

 

 

Gefällt dir die Promophase für ein Album, oder siehst du sie eher als notwendiges Übel?

Sagen wir mal so: Es ist anstrengend, eigentlich fast noch anstrengender als eine Tour. Wenn man auf Tour ist, hat man einen ziemlich identischen Tagesablauf – das hat was von „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Man weiß immer ganz genau, wann was passiert und entwickelt einen eigenen Biorhythmus: Man geht spät ins Bett, steht spät auf, fährt in die Halle, geht eine Stunde vor Showbeginn noch einmal in sich und dreht dann auf der Bühne voll auf. Auf Promotour hab' ich jeden Tag einen anderen Ablauf.

 

 

„In diesem Moment“ ist draußen. Wie fühlt sich das an?

Aufregend (lacht). Es ist jetzt 17 Uhr – eine magische Zahl, denn dann kommen die Trends rein.

 

Wie wichtig sind dir solche Vorhersagen und schließlich auch die Verkaufszahlen?

Naja, wenn man Platten rausbringt und einen Deal mit einem Major hat, ist das natürlich wichtig. Man macht das ja nicht nur, um irgendwas zu produzieren, sondern freut sich, wenn das, was man macht, gut ankommt.

 

 

Wie lange hast du insgesamt an „In diesem Moment“ gearbeitet?

Ich habe schon eine ganze Weile darüber nachgedacht, in welche Richtung es gehen könnte. Anfang des Jahres fanden dann die ersten konkreten Treffen statt, um herauszufinden, mit wem man meine Vorstellungen umsetzen könnte.

 

 

Wie laufen solche Treffen ab? Entwickelt ihr gemeinsam Song-Ideen, oder hast du bereits genaue Vorstellungen im Kopf, die dann im Team umgesetzt werden?

Das ist sehr unterschiedlich. Ich hatte bei „In diesem Moment“ zwei Produzenten an meiner Seite, die allerdings unabhängig voneinander gearbeitet haben: Kiko Masbaum aus Köln hat zwölf Titel produziert, drei Songs kamen von Roland Spremberg aus Hamburg. Mit Roland hab ich mich beispielsweise getroffen und einfach mal angefangen, Songs zu schreiben. Meistens lief das so ab, dass ich zunächst erzählt habe, was mir gefällt und in welche Richtung es gehen soll. Beim nächsten Treffen hatte er dann meist schon einen Groove gebastelt, oder zwei, drei Akkorde als Grundidee für einen Song eingespielt. Daraufhin haben wir dann zu dritt die ersten Songs geschrieben. Einen Song auf dem Album habe ich zusammen mit Roland und den Produzenten von Jamiroquai geschrieben – eine tolle Erfahrung.

 

 

Schreibst du in der Regel an einem Song, bis er Album-reif ist, oder sammelst du Songs und wählst am Ende die besten aus?

Es war dieses Mal in der Tat so, dass wir etwa 30 Titel gesammelt haben, die auch noch nicht alle fertig waren. Ich wollte bei diesem Album erst einmal ganz ganz viel Musik haben, deshalb habe ich mich zunächst mit den unterschiedlichsten Leuten getroffen und Songs geschrieben. Wir haben teilweise ziemlich lange an den Melodien herumgedoktert, bis wir sagen konnten: „Bingo, das ist jetzt erst mal das Stück!“ Schließlich hatten wir etwa 30 Titel im Gepäck, die wir dann auf etwa 20 herunter gekürzt haben. Für diese Auswahl haben wir dann die Texte fertig gemacht. Ich habe angefangen, mich mit Textern zu treffen, hab ihnen bestimmte Songs geschickt und die Themen mit ihnen besprochen. Ich hatte mir schon vorher eine kleine Auswahl an Themen und Geschichten überlegt, hab mich aber auch von Melodien und Kompositionen inspirieren lassen.

 

 

War unter den Textern auch wieder Frank Ramond dabei?

Ja, allerdings hat er nur an einem Song mitgewirkt. Ich hab mit insgesamt neun Textern gearbeitet.

Die Songs sind größtenteils richtig persönlich geworden. Kann man daraus schließen, dass du dich noch mehr beim Texten eingebracht hast, als bei deinen vergangenen Alben?

Wesentlich mehr. Ich bin jedoch, was Texte angeht, sehr wählerisch und auch nicht schnell zufrieden. Ich habe extrem intensiv mit allen Textern zusammengearbeitet, das ging teilweise ewig hin und her.

 

 

Der Titelsong zu „In diesem Moment“ ist auch die ersten Single-Auskoppelung gewesen. Steht schon fest, welcher Song als nächstes kommt?

Wir haben auf jeden Fall schon ein paar Favoriten, allerdings ist noch keine Entscheidung gefallen. Ich könnte nur mutmaßen, denn es bieten sich drei, vier Songs für die nächste Single an.

 

 

Wenn du selbst einen Hörtipp vom Album abgeben müsstest, welchen Song würdest du wählen?

Das ist gemein (lacht). Es ist ein so vielfältiges Album. Mein allgemeiner Tipp ist, sich ein bisschen Zeit dafür zu nehmen. Man kann dieses Album natürlich einmal durchhören, sich ganz schnell eine Meinung bilden und es fallen lassen. Allerdings entdeckt man viele kleine Details erst nach mehrmaligem Hören, was sowohl die Produktionen als auch die Texte angeht.

 

 

Ist deine Swing-Phase vorbei? Oder kommt alles zurück, wie du auf dem ersten Song des Albums ja selbst singst.

Das ist für mich definitiv nicht ad acta gelegt. Gerade live sehe ich mich als Gesamtwerk. Nur weil ich ein Album aufgenommen habe, auf dem modernere Klänge zu finden sind, werde ich live natürlich nicht meine ganzen alten Songs vergessen. Ich sehe „In diesem Moment“ auch nicht als Abkehr vom Swing. Es handelt sich um ein Hinzufügen, das mich als Künstler einfach ein bisschen kompletter macht. Gerade die Themen auf dem Album sind wesentlich persönlicher und unterscheiden sich völlig von dem, was Leute von mir gewohnt sind. Auch die Sounds sind andere, wobei ich bei den Aufnahmen ja nicht auf meine Band verzichtet habe. Es ist immer noch dieselbe Band. Beim Titelsong spielt am Ende sogar die komplette BigBand. Das hört nur kein Mensch, weil sie bei manchen Songs einfach nicht mehr so vordergründig sind. Bei anderen dafür schon, die klingen dann aber weniger wie eine Big-Band, als wie eine große Bläser-Sektion.

 

 

Wie hat Starwatch reagiert, als du sagtest, du möchtest den Swing-Sound ein wenig aufbrechen?

Das war von vornherein eine Entwicklung, die alle sehr begrüßt haben. Das wurde auch mit der Plattenfirma ganz schnell kommuniziert. Wir waren uns alle einig, dass es an der Zeit sei und ein guter Moment, um das zu tun.

 

 

Klingt als hätte sich mit Starwatch und Roger Cicero ein gutes Team gefunden.

Das stimmt. Ich hatte meinen ersten großen Erfolg mit Starwatch und Warner und auch das Label ist seitdem enorm gewachsen. Insofern: Ja, das war schon ein bisschen „Perfect Match“.

 

 

Im Februar beginnt die Tour zum Album. Wie laufen die Vorbereitungen?

Es geht gerade los. Diese Woche treffe ich mich mit meinem Konzertveranstalter. Ich saß letztens im Zug, hab mir Gedanken zur Bühne gemacht und angefangen, meine Ideen auf eine Serviette zu zeichnen. Die Serviette hab ich mehr aus Spaß meiner Managerin gegeben, damit sie sich ebenfalls eine Vorstellung machen konnte. Sie hat daraufhin die Serviette eingescannt und meinem Konzertveranstalter geschickt (lacht). Ich dachte ich spinne.

 

Als wir uns das letzte Mal gesprochen haben, ging es hauptsächlich um dein Buch „Weggefährten: Meine Songs fürs Leben“. Warst du mit der Resonanz zufrieden?

Ja, die war ganz okay. Es ist zwar kein Bestseller geworden, aber für ein Sachbuch hat es sich recht gut verkauft. Ich glaube, viele Leute sind auch eher skeptisch und denken sich: „Wieso schreibt der jetzt ein Buch?“

 

 

Zumal heutzutage jeder ein Buch zu schreiben scheint...

Ganz genau. Aber von denen, die es gelesen haben, kamen sehr positive Resonanzen, weil das Buch doch auch viele Einblicke in mein Leben gibt und sehr persönlich ist. Es ist zwar keine Autobiografie, aber steckt voller autobiografischer Geschichten, die ich in Verbindung mit bestimmten Liedern erzähle.

 

 

Roger Cicero "In diesem Moment" (Starwatch/Warner Music), VÖ-Datum: 28. Oktober 2011

 

 

Autor: Gideon Gottfried

Quelle: Musikmarkt - 10.11.2011

 

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