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Stefan Zauner im Interview mit Musikmarkt: "Wir wurden nur noch auf die 80er reduziert und das war mir zu wenig"

Posted by admin (admin) on 27.09.2012 at 07:46
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Stefan Zauner im Interview mit Musikmarkt: "Wir wurden nur noch auf die 80er reduziert und das war mir zu wenig" 

 

 

Ist nun auf Solopfaden unterwegs: Stefan Zauner (Foto: Da Music)

 

 

 

 

"Zeitgefühl" erscheint am 21. September (Foto: aus dem Albumcover zu "Zeitgefühl")

 

 

Stefan Zauner redet zusammen mit Ehefrau Petra über sein neues Album, warum er die Münchener Freiheit verlassen hat und was sich in den letzten Jahrzehnten im Musikbusiness verändert hat.

 


Musikmarkt: Herr Zauner, Sie haben in letzter Zeit tatkräftige Unterstützung von Ihrer Frau Petra für Ihre Solokarriere erhalten, so hat sie auch auf ihrem Album die ein oder andere Gesangseinlage beigesteuert.

Stefan Zauner: Genau, im Prinzip war das nur ein Experiment, das mehr oder weniger durch Zufall entstanden ist. Immer, wenn ich ihr zufällig beim Singen zugehört habe, fiel mir auf, dass sie in den Tönen sehr treffsicher ist und eine schöne Stimme hat. Es hat allerdings etwas länger gedauert, sie zu überreden, einmal mit ins Studio zu kommen. Wir haben den Track eigentlich nur "Just For Fun" aufgenommen. Dann haben wir es dem Manager vorgespielt, dem es so gut gefiel, dass er es an die Plattenfirma schickte, die daraus gleich eine Single machten. So sind wir jetzt zusammen auf Promo-Tour.

 

Der Entschluss war also mehr oder weniger spontan?

Genau, die ganze Idee, überhaupt ein Soloalbum zu machen, war eigentlich ein spontaner Entschluss. Als ich die Münchener Freiheit verließ, wollte ich eigentlich auch für andere Künstler produzieren und schreiben. Als ich das versucht habe, wurde mir aber klar, dass ich mein eigenes Material selbst immer noch am besten singen kann. Das bestätigte man mir auch, als ich die selbst gesungenen Demos einschickte. Als ich dann irgendwann genug Stücke beisammen hatte, kam ich auf die Idee, daraus einfach ein Soloalbum zu machen.

 

Frau Zauner, hat sich die Arbeit mit Ihrem Mann nur auf den Gesang beschränkt oder waren Sie auch an der Produktion im Studio beteiligt?

Petra Zauner: Ja, ich war schon so frei, ab und zu meinen Senf dazuzugeben.

Stefan Zauner: Ich selbst bin so involviert in meine Projekte, dass mir oft der nötige Abstand zu diesen Werken fehlt. Petra brachte frischen Wind ins Studio und machte mich darauf aufmerksam, wenn ein Track zu langsam oder kompliziert war. In dem Song "Tick Tack" zum Beispiel sind Straßengeräusche vom New Yorker Time Square zu hören, diese Idee stammt von Petra. Die Straßengeräusche führten letztendlich auch zum Cover des Albums (Time Square). Es sind die kleinen Details, die Petra mit einbrachte, die letztendlich große Auswirkungen auf das gesamte Flair des Albums hatten.

 

Herr Zauner, auf "Zeitgefühl" beschäftigen Sie sich offensichtlich mit dem Thema Zeit und Vergänglichkeit. Wollen Sie etwas spezielles in Bezug auf dieses Thema verarbeiten?

Zeit nimmt auf jeden Fall einen wichtigen Platz in meiner Denkweise ein. Auf dem Stück "Wunderbar" zum Beispiel wird meine Lebensphilosophie sehr deutlich. Nämlich, dass alle kleinen Details aus der Vergangenheit uns wie in einem Film dazu bringen, was jetzt die Gegenwart ist und dass man auf keines dieser Details verzichten darf, wenn man mit der Gegenwart zufrieden sein will. Der Titel "Zeitgefühl" ist eigentlich erst entstanden, als mir auffiel, das sich ein Großteil der Tracks um dieses Thema dreht. Die Songs haben sich einfach so entwickelt und als ich einen Überbegriff suchte, hat sich dieser Titel einfach sehr gut angeboten.

 

Sie wollten also gar nicht bewusst auf das Thema Zeit hinaus?

Richtig. Der Text zu "Liebe besiegt die Zeit" stammt zum Beispiel gar nicht von mir, sondern von jemand, der normalerweise für Musicals tätig ist. Zufällig hat es sich ergeben, dass Wolfgang Adenberg sich genau mit dem gleichen Thema beschäftigt und so hat das Lied sehr gut in ein Konzept hineingepasst, das eigentlich gar nicht geplant war.

 

Sie haben erwähnt, dass Wolfgang Adenberg hauptsächlich für Musicals tätig ist. Wie stehen Sie zu Musicals? Haben Sie schon einmal überlegt, selbst musikalisch in diese Richtung zu gehen, oder ein Konzeptalbum zu veröffentlichen?

Wenn es sich ergibt, ja. Ich selbst habe zu wenig fachmännische Kenntnis für ein Musical, aber zusammen mit jemand, der Erfahrung hat, würde ich gerne so ein Projekt verwirklichen. In München habe ich so jemanden kennengelernt und ein solches Projekt haben wir bereits im Hinterkopf. Genaueres kann ich aber dazu nicht sagen, dazu ist das Konzept noch zu vage.

 

In dem Song "Im falschen Traum" sprechen Sie von einem sehr euphorischen Traum, aus dem sie jetzt aufgewacht sind. Wie kann man das interpretieren?

In dem Song will ich darauf hinaus, dass, wenn man in turbulenten Zeiten lebt, einem oft das Bewusstsein für das eigene Handeln fehlt. So wie während meiner Zeit mit der Münchener Freiheit, in der ich wahnsinnig viele Eindrücke sammelte. In einer ruhigen Phase, in der man sich dessen bewusst wird, kann man aber erkennen, dass man eigentlich "Im falschen Traum" ist und jetzt die Zeit zum Aufwachen gekommen ist. Das kann auch passieren, wenn es einem zu gut geht. Man verliert den Bezug vor lauter Euphorie. Irgendwann passiert es aber, dass diese Euphorie wieder abnimmt und man merkt, dass die Zeit reif ist, seine Füße wieder auf den Boden zu bekommen.

 

Nach über 30 erfolgreichen Jahren haben Sie sich nun entschlossen, bei der Münchener Freiheit aufzuhören. Wie kam das?

Es gibt diverse Gründe, die mich zu diesem Entschluss gebracht haben, aber keinen einzelnen. Z.B. die ständigen Tourneen: Von Mai bis September war ich jedes Wochenende unterwegs. Oft hatten wir das Gefühl, dass das Publikum nicht wegen eines neuen Albums zum Konzert gekommen ist, sondern alle nur darauf warten, dass wir endlich "Ohne dich" spielen. Wir wurden nur noch auf die 80er reduziert und als kreativer Mensch war mir das irgendwann zu wenig. Wenn ich außerdem mit 65 noch auf der Bühne stehe und "Tausendmal Du" singen soll, fühle ich mich auch selbst ein wenig absurd. Irgendwie wollte ich auch aus der Schublade "Münchener Freiheit" raus. Und wenn man etwas Neues anfangen möchte, muss man erst einmal eine neue "Schublade" aufmachen. Ich schäme mich aber nicht für solche Songs, ich bin noch immer dankbar, in meinem Leben etwas so nachhaltiges erschaffen zu haben.

 

In dem Song "Blues" ist davon die Rede, dass Sie eigentlich ein glückliches Leben führen, werden aber ständig von einer latenten Melancholie begleitet. Würden Sie sich selbst als melancholischen Menschen bezeichnen?

Eigentlich nicht. Was ich damit sagen will: Selbst wenn man glaubt, alles zu haben, hat man im Hinterkopf immer gewisse Dinge, die man meint noch zu brauchen, anstatt mit den vielen Dingen zufrieden zu sein, die man hat. Der Wunsch nach mehr ist also eigentlich unlogisch und trotzdem ist er manchmal da. Oft geht es mir aber auch so, dass ich mich (wie bei dem Song "Blues") in solche Stimmungen hineinversetzen kann, ohne einen Bezug dazu zu haben. Wenn ich mich z.B. von der Melodie leiten lasse, dann finden sich die Worte auch von selbst. So ein Stück muss also nicht immer unbedingt authentisch sein, ich kann mich auch einfach in eine Stimmung hineinversetzen und diese dann weiter aufbauen. Ein Schauspieler der einen Mörder spielt, ist ja auch in Wirklichkeit kein Mörder.

 

In dem Song "Amerika" beziehen Sie sich offensichtlich auf die klassische Hollywood-Glamour-Mentalität. Haben Sie dazu authentische Erfahrungen gemacht?

Was mich zu diesem Song bewogen hat, war eigentlich eine Fernsehsendung über Auswanderer. Mädchen, die glauben, in Hollywood sei alles anders, man brauche nur hinzukommen und entdeckt zu werden und der Rest passiert dann von alleine. Ich selbst war auch ein Jahr in Amerika, weil ich dem Ruf eines Produzenten gefolgt bin und dachte, ich würde als Superstar wieder zurückkommen oder gleich in Amerika bleiben. Ich war dann relativ desillusioniert, als ich nach einem Jahr wieder zurückkam und eigentlich nichts passiert ist. Die Denkweise, in Amerika ohne Mühe groß rauszukommen, ist nicht richtig, es liegt immer an einem selbst.

 

Für Ihr Soloprojekt sind sie jetzt bei Da Music unter Vertrag, welche Gründe gab es dafür?

Da Music sind auf mich zugekommen. Ein paar Plattenfirmen haben mir nicht so vertraut, dass das ohne Münchener Freiheit etwas werden könnte. Das Team von Da Music war aber sehr schnell überzeugt, vor allem von der musikalischen Seite. Dort war gar nicht die Rede von Kommerzialität, sie waren einfach von der Musik überzeugt.

 

Wollen sie also auch für zukünftige Projekte bei Da Music bleiben?

Ja. Auf jeden Fall, das nächste Album bei Da Music ist auch schon sicher geplant. Jetzt müssen wir uns aber erstmal um das jetzige Album kümmern, um Promotion und weitere Auskoppelungen, dann können wir wieder an die kreative Seite denken.

 

Wenn man auf Ihre Karriere zurückblickt, so haben Sie bereits eine ziemlich große musikalische Bandbreite bedient. Welchem musikalischen Stil fühlen Sie sich am meisten zugehörig, wo fühlen sie sich am meisten zuhause?

Pop, weil ich dort das breiteste Spektrum habe. Wenn ich z.B Hard Rock mache, dann ist die Bandbreite dort sehr viel kleiner, in Bezug darauf, was erlaubt ist und was nicht, auch bei HipHop oder Techno ist die Bandbreite sehr schmal. In der Popmusik kann man sich sowohl des Hard Rock als auch des Rap oder gar der Klassik bedienen. Man kann eigentlich alles verwenden, was an musikalischen Stilen vorhanden ist und das erlaubt mir eine viel größere Freiheit beim Komponieren.

 

Welche Veränderungen haben Sie in den letzten 30 Jahren in der Musikszene festgestellt und wie bewerten Sie diese?

Die Musik der 80er war sehr melodisch und kreativ, aus der Musik der 90er gefällt mir vieles nicht. Ab 2000 gibt es wieder Künstler, die mir besser gefallen, weil das ganze wieder etwas kreativer wirkt. Früher waren auf jeden Fall die Ansprüche an die Musiker etwas höher, weil es noch nicht diese Art von Computermusik gegeben hat. Damals konnte noch nicht jeder, der einen Computer hat, einfach Musik machen. Dazu brauchte man früher Talent, man musste gute Demos einschicken, die Produktion im Studio war zeitlich viel begrenzter, man musste vor Ort im Studio sein und nicht zuhause vor dem PC. Ich glaube die Kreativität war sehr viel mehr gefordert, als heutzutage, so etwas wie Casting-Shows gab es damals nicht, das sind reine Unterhaltungsshows fürs Fernsehen und nicht dazu da, Talente zu fördern.

 

Was sagen Sie zur digitalen Weiterentwicklung von Studiotechnologie? Finden Sie, dass darunter auch die Kreativität leidet?

Ich glaube nicht. Ich denke nur, dass es auf diese Weise viel mehr Künstler gibt als früher. Jetzt gibt es diese Barriere nicht mehr, dass man gute Demos und eine Plattenfirma braucht, die den Studioaufenthalt bezahlt. Dadurch, dass man das alles selbst zuhause machen kann, ist die Anzahl der Künstler sehr viel größer geworden. Diese verwirrende Flut von Künstlern, die es heute gibt, gab es früher nicht. Deshalb ist der Markt auch auf gewisse Weise eingebrochen, weil es mittlerweile ein Überangebot an Acts gibt. Durch die Möglichkeit, alles aus dem Internet herunterladen zu können, gibt es auch viel weniger treue Fans, da die Musik einen ganz anderen Stellenwert hat. Deswegen bin ich auch froh, dass wir bereits in den 80ern angefangen haben und das noch anders gelernt haben.

 

Autor: Daniel Teplan
Quelle: Musikmarkt - 19.09.2012

 

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