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Vicky Leandros im Interview: "Die Atmosphäre im Studio hat mich beeindruckt"

Posted by admin (admin) on 15.03.2010 at 08:00
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Vicky Leandros im Interview: "Die Atmosphäre im Studio hat mich beeindruckt"

 

 

"Ich bin eine große Bewunderin seiner Musik" - Vicky Leandros über Xavier Naidoo (Foto: Walter Kober)

 

 

Nach fast zehn Jahren gibt es nun ein neues Studioalbum von Vicky Leandros. Entstanden ist "Möge der Himmel" in Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo und Michael Herberger (unter anderem Produzenten der Söhne Mannheims). Im Interview mit "Musikmarkt"-Autor Gunar Leue erzählt sie über ihr neues Album.

 

Musikmarkt: Wie kam die Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo zustande?

Vicky Leandros: Wir hatten uns auf einem seiner Konzerte kurz kennen gelernt. Letzten Sommer war ich dann im Studio von Xavier Naidoo und Michael Herberger in Mannheim. Wir haben uns künstlerisch und musikalisch von Anfang an gut verstanden. Sie schrieben erste Lieder für mich. Die Titel waren hervorragend. Das war der Anfang unserer Zusammenarbeit. Ab dann war ich mehrere Monate mit Unterbrechungen in Mannheim. Dort wurde das gesamte Album produziert.

 

Xavier Naidoo gilt als der König des deutschsprachigen Soul. Sie nannten als Ihre Vorbilder einmal Ray Charles und Ella Fitzgerald. Rührt daher eine musikalische Nähe zu Naidoo, die in der für einige überraschenden Kooperation mündete?

Ich bin eine große Bewunderin seiner Musik. Ich finde, Xavier hat eine der großartigsten Stimmen der Welt. Er ist ein Dichter und die Texte, die er für mich geschrieben hat, sprechen für sich. Sie sind voller Fragen und Antworten, Leichtigkeit und Schwermut, Liebe und Leid, Trost und Traurigkeit. Mein Leben lang höre ich schon Soulmusik, daher war es mir eine Freude, mit dem Mannheimer Team zusammenarbeiten zu können. Zwischen den Musikern hat eine Kreativität stattgefunden, die viel Spaß gemacht hat.

 

Und den hatten Sie?

Oh ja. Aber es war nicht nur Spaß, sondern auch die künstlerische Leistung des gesamten Teams. Eine solche Leidenschaft und Sensibilität in der Musik habe ich selten erlebt. Die Atmosphäre im Studio hat mich auch beeindruckt. Es ist ein Studiokomplex, in dem auch andere talentierte Musiker ihr Studio haben, die dort komponieren und arrangieren. Alle zusammen haben an meinen neuen Liedern mitgeschrieben. Es herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre untereinander, die in anderen Studios nicht unbedingt vorhanden ist. Man redet miteinander, trinkt Tee, es ist wie in einer Großfamilie. Wir haben über das Leben und die Liebe gesprochen. Daraus sind sicherlich auch einige der elf Texte entstanden, die Xavier Naidoo für "Möge der Himmel" geschrieben hat.

 

Auf dem Album sind nicht nur neue Songs...

Ich habe auch zwei Titel von Xavier neu eingesungen - "Und wenn ein Lied" sowie "Wo willst du hin?" - und außerdem drei alte Lieder – eins von Brel, eins von Bécaud und eins von der amerikanischen Gruppe The Stylistics – und das in einem völlig neuen, progressiven Arrangement.

 

War es ihre Absicht, sich mit dem Album musikalisch auch ein wenig neu zu erfinden?

Ich war immer offen für viele Musikstile. Aber ich hatte auch das Glück, in früheren Jahren mit einigen Soulproduzenten zusammen zu arbeiten, wie für das Album "Across the water". Ich weiß nicht, ob ich mich selbst neu erfunden habe, aber Naidoo und Herberger haben eine neue musikalische Seite aus mir herausgeholt.

 

Ihr langjähriges Publikum wird also gar nicht so überrascht sein von den neuen Songs?

Ja und nein. Ein Teil des Publikums wird überrascht sein, aber nicht nur der Teil, der mich bereits kennt, sondern auch der Teil des Publikums, der sich mit meiner Musik noch nicht so viel auseinander gesetzt hat. Als Künstler entwickelt man sich ja auch mit den Jahren weiter. Es war für mich an der Zeit, mich auf eine Musikrichtung einzulassen, die mir persönlich sehr gefällt. Ich habe auf mein Herz gehört. Ich glaube, dass man dies aus dieser Produktion heraushören kann, da das Mannheimer Team wunderschöne Texte geschrieben hat, und hoffe, dass "Möge der Himmel" dem Publikum gefallen wird.

 

Eine Wissenschaftlerin hat bei einem Vergleich deutscher Liebeslieder der letzten Jahrzehnte festgestellt, dass sich die Texte früher kaum mit den Schattenseiten der Liebe befassten. Sie singen im Duett mit Xavier Naidoo "Liebe bringt den Schmerz"…

Nun, ich war früher schon für meine Melancholie bekannt und vielleicht eine der wenigen, die auch Schmerz verarbeitet haben wie in dem Lied "Ich fang ohne dich neu an". Fast alle meine Lieder hatten etwas Trauriges, Schmerzvolles. Lieder mit fröhlichem Inhalt waren früher eher die Ausnahme, wurden aber erfolgreicher. Das war damals tatsächlich mehr gefragt und ich bekam oft zu hören: Mach doch nicht so viele melancholischen Lieder. Aber Melancholie gehört einfach zu uns Griechen, dabei ist die keineswegs negativ, sondern dahinter steckt eine Nachdenklichkeit über die Liebe. Das kennzeichnet ja auch die Songs von Xavier Naidoo seit Jahren.

 

Ernsthafte Texte sind ein wichtiger Baustein, um aus Schlager anspruchsvollen Pop zu machen. Haben sie ein Problem mit dem Begriff Schlager?

Das Wort hat wohl ein negatives Image in Deutschland, weil sich die Produktionen in den vergangenen Jahren nicht wirklich weiterentwickelt haben.

 

Hilft die Zusammenarbeit mit Naidoo, dem Image zu entfliehen?

An so etwas habe ich keinen Gedanken verschwendet, als ich mich auf das Projekt einließ. Wir machen schon seit zehn Jahren keinen Schlager mehr. Ich habe versucht, einen Weg zwischen Pop und Chanson zu beschreiten. So wie man sich als Persönlichkeit fortentwickelt, entwickelt man sich auch in der Musik weiter. Man darf nicht stehen bleiben und keine Angst vor Veränderung haben, nach dem Mott: Oh Gott, vielleicht will mein Publikum das Neue gar nicht hören.

 

Werden Sie das Duett mit Xavier Naidoo auch mal im Konzert singen?

Das werden wir sehen. Bei seinem Konzert in Coburg stand ich schon spontan mit ihm gemeinsam auf der Bühne und wir haben zusammen gesungen.

Bis zum letzten Sommer waren Sie noch nebenbei als Vizebürgermeisterin und Kulturstadträtin von Piräus tätig. Warum hatten Sie das Amt übernommen und relativ schnell wieder aufgegeben?

Ich hatte das Angebot aus Piräus angenommen, bin in den Wahlkampf gezogen und wurde Vizebürgermeisterin. Es gehört für mich dazu, neue Wege im Leben zu gehen. Ich habe mich in meinem Leben immer für Geschichte und Kultur interessiert, wollte in meiner Heimat gern Projekte verwirklichen und Veränderungen herbeiführen. Die tägliche Arbeit im Rathaus war ein knochenharter Job, da ich zwei Abteilungen mit über 100 Mitarbeitern zu leiten hatte. Ich pendelte stets zwischen Berlin und Athen und hatte praktisch zwei Fulltimejobs. Irgendwann musste ich mich zwischen meinem politischen und meinem künstlerischen Leben entscheiden. Jetzt konzentriere ich mich wieder ganz auf die Musik. Man kann sagen, es ist schön, sich seiner Leidenschaft weiter widmen zu können.

 

In Deutschland waren Sie auch zweimal, in Hamburg und Berlin, als potenzielle Kulturpolitikerin im Gespräch, was für Aufsehen sorgte.

In Griechenland ist das nicht so selten, dass Schauspieler, Musiker oder Sportler in der Politik agieren, und das übrigens ganz erfolgreich. Die Griechen sind so tolerant, dass sie sagen: Lass sie sich erstmal zwei, drei Jahre in dem Amt zurecht finden und etwas leisten, und dann wollen wir das beurteilen. In Deutschland wird man insbesondere von den Medien vorverurteilt. Was glauben Sie, wie es wohl gewesen wäre, wenn ein Arnold Schwarzenegger in Deutschland in die Politik gegangen wäre.

 

Autor: Gunnar Leue

 
Quelle: Musikmarkt – 16.03.2009
 

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